aus Hellweger Anzeiger: Freitag, 11.
Dezember 2015
Emscherkaserne
wird zur Unterkunft für Flüchtlinge
Bund
trägt Instandsetzungskosten - Gemeinde
hat dennoch viele offene Fragen
Von Alexander Heine
Holzwickede.
Die Emscherkaserne als
Flüchtlingsunterkunft war längst
ausgeschlossen worden. Zu marode, zu
klein – Kosten und Nutzen stünden in
keinem Verhältnis. Nun also doch: Der
Rat hat mit Gegenstimmen der CDU
grünes Licht gegeben für den Vorschlag
des Bundes, die Immobilie als
kommunale Einrichtung zu nutzen.
Gerade erst sind der Gemeinde wegen
brandschutzrechtlicher Auflagen 100
sicher geglaubte Plätze für die
Unterbringung zugewiesener Flüchtlinge
in der Lagerhalle von Montanhydraulik
verloren gegangen – übrigens halten
nicht alle Verwaltungsspitzen der
Emschergemeinde die Argumentation des
Kreises in dieser Sache für
nachvollziehbar –, da tun sich mit der
eigentlich längst ad acta gelegten
Kaserne an der Ortsgrenze zu Dortmund
noch viel größere Möglichkeiten auf.
Kapazitäten für bis zu 450 Flüchtlinge
können dort geschaffen werden. Summiert
mit den 290 bereits bestehenden
Unterbringungsmöglichkeiten und den 120
avisierten Plätzen in der ehemaligen
Raketenstation kann die kleinste
Gemeinde im Kreisgebiet ihr
Aufnahmevolumen somit auf 860 Plätze
aufstocken und unter diesen Vorzeichen
„zweckentfremdete“ Objekte wie Rausinger
Halle und Sportlerheim möglicherweise
sogar wieder ihrer eigentlichen
Bestimmung übergeben. Ist erst alles
fertig, ist die Gemeinde vorerst wohl
all ihre Sorgen los, denen
Bürgermeisterin Ulrike Drossel (BBL) in
der zurückliegenden Woche in drei (!)
Brandbriefen an die übergeordneten
Behörden Luft gemacht hat: kein Platz
für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge.
Als wären das der guten Aussichten nicht
schon genug: Der Bund trägt auch noch
die Kosten für Instandsetzung und
Herrichtung der Kaserne, die sich laut
Fachbereichsleiter Jens-Uwe Schmiedgen
„mehr als grob geschätzt“ auf fünf bis
sieben Millionen Euro summieren – das
hätte den kleinen Holzwickeder Haushalt
ohnehin gesprengt.
Man sollte meinen, die Entwicklung rund
um die Kaserne sei der sprichwörtliche
Balsam für die krisengeplagten Seelen im
Holzwickeder Rathaus. Mitnichten, denn
vor allem hat die Verwaltung noch
etliche Fragen. So hat der Bund zwar
zugesagt, sämtliche Kosten für
Instandsetzung und Herrichtung von
Gebäuden und Infrastruktur zu
übernehmen. Offen ist indes die Frage,
ob die Gemeinde in Vorleistung treten
muss – was sie finanziell freilich
überfordern würde. Kämmerer Rudi Grümme
macht deshalb Abschlagszahlungen zur
Bedingung. Zweitens: Zwar zahlt der
Bund, ausführendes Organ ist aber die
Gemeinde – und deren personellen
Kapazitäten sind schlichtweg zu klein
für ein solches Mammutprojekt. Deshalb
müssen beispielsweise
Ingenieurtätigkeiten eingekauft werden.
Da es aber noch keine
Durchführungsbestimmungen zu den
gesetzlichen Regelungen gibt, ist noch
nicht abschließend geklärt, ob die
Kosten für den externen Sachverstand
ebenfalls vom Bund getragen würden.
Zusätzlich treiben Grümme ganz
grundlegende haushaltsrechtliche Fragen
um – etwa ob es für so ein Projekt einen
Nachtragshaushalt braucht. Und nicht
zuletzt will die Gemeinde laut
Beigeordnetem Uwe Detlefsen Brief und
Siegel darauf haben, dass in der Kaserne
untergebrachte Flüchtlinge angerechnet
werden auf die Aufnahmequote der
Gemeinde nach dem „Königsteiner
Schlüssel“. Ob sich diese Frage
überhaupt stellt, ist offen in
Anbetracht der Tatsache, dass es sich
weder um eine Bundes- noch um eine
Landesunterkunft handeln wird, sondern
der Bund der Gemeinde ihre Immobilie zur
Verfügung stellt, um darin die ihr
zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen.
Für Skepsis sorgt allein die Äußerung
des Bundes, dass in ihren Liegenschaften
untergebrachte Flüchtlinge angerechnet
werden auf die Verpflichtung des Bundes,
40.000 Plätze für deren Unterbringung
zur Verfügung zu stellen.
Vier
Gebäude als Unterkunft
- Eine
Besichtigung im Beisein von
Bezirksregierung, Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben, Kreis und
Gemeinde hat ergeben, dass vier
Gebäude genutzt werden können.
- Zur
Verfügung stehen auch Sporthalle,
Wirtschaftsgebäude und
Offiziersunterkünfte sowie der
Sportplatz.
- Die
Instandsetzung der Gebäude soll mit
einer Vorlaufzeit nach und nach
erfolgen – das erste wäre wohl im
zweiten Quartal, das letzte
frühestens Ende 2016 fertig.
Kreis
soll sich mehr einbringen
Holzwickede
fühlt sich im Stich gelassen
Unter
dem Eindruck der Flüchtlingskrise könnte
die kommunale Familie enger
zusammenrücken und zeigen, dass
interkommunale Zusammenarbeit nicht nur
ein Lippenbekenntnis sein muss. Wenn das
Mammutprojekt Emscherkaserne also die
personellen Möglichkeiten der kleinen
Gemeinde Holzwickede übersteigt – warum
nicht Unterstützung bei anderen Behörden
erfragen?
Möglicherweise wird die Gemeinde das im
Kreishaus auch tun – macht sich
allerdings wenig Hoffnung, tatsächlich
die erforderliche Unterstützung zu
erhalten. „Die werden das auch nicht
leisten können“, verweist der
Holzwickeder Fachbereichsleiter Jens-Uwe
Schmiedgen darauf, dass es auch im
Kreishaus nicht unendlich Kapazitäten
geben dürfte.
Bei allem Verständnis dafür erweckt die
Runde um Bürgermeisterin Ulrike Drossel
gleichwohl den Eindruck, sich von der
Kreisverwaltung im Stich gelassen zu
fühlen. Auf keine der jüngsten
Überlastungsanzeigen, die zusätzlich zur
Regierungspräsidentin unter anderem auch
an ihn gegangen seien, habe der Landrat
reagiert. „Am Ende unserer Kräfte“ hätte
Drossel zumindest Unterstützung in der
Form erwartet, dass die Kreisverwaltung
sich als Netzwerk mit Kontakt zu allen
anderen Kommunen anbietet. Ihr Anspruch:
Kommunen mit noch freien Plätzen zur
Aufnahme von Flüchtlingen hätten zur
Entlastung der Gemeinde Holzwickede
beitragen können.
Bildunterschriften:
• Die
Emscherkaserne war eigentlich schon
vom Tisch, was die Lösung der
Unterbringungsprobleme der Gemeinde
Holzwickede anbelangt – nun ist sie
wieder im Spiel. Der Rat hat am Abend
grünes Licht gegeben.
• In unmittelbarer Nähe zur
Ortsgrenze zu Dortmund liegt das
Kasernengelände (rot markiert).
Südlich verläuft die A 1, am oberen
Bildrand die B 1 / A 44. Die
Gemeindeverwaltung verspricht sich von
der zentralen Unterkunft auch eine
effektivere Nutzung der Ressourcen
für Betreuung und Integration –
derzeit gibt es insgesamt acht
Unterbringungseinrichtungen verteilt
auf das gesamte Gemeindegebiet.
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