aus Hellweger Anzeiger: Dienstag, 27. September
2011
Holzwickede für eine Forensik „viel
zu klein“
Bürgermeister und Politik erteilen
möglicher Klinik eine
klare Absage
Von Kevin
Kohues
HOLZWICKEDE • Eine
Klinik für psychisch kranke Straftäter in der beschaulichen
Emschergemeinde? Ein Szenario, das wohl keiner gerne sehen würde.
Trotzdem müssen sich Verwaltung und Politik zumindest mit dem
Gedanken auseinandersetzen.
Wie berichtet, hat Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne)
in der vergangenen Woche alle Kommunen im Kreis um „konstruktive
Mitarbeit“ bei der Suche nach einem Standort für den Bau einer
neuen forensischen Klinik für rund 140 Insassen aufgefordert. Bis
zum 14. November müssen die Bürgermeister mitteilen, ob
Flächen in ihrer Kommune in Frage kommen.
Bürgermeister Jenz Rother sagte gestern auf HA-Anfrage, er habe
das Schreiben der Gesundheitsministerin noch nicht bekommen. Klar sei
aber, dass er nichts unversucht lassen werde, um zu verhindern, dass
eine solche Einrichtung nach Holzwickede kommt. Fünf Hektar
Bauland werden für den Bau der Forensik benötigt – eine
Voraussetzung, die grundsätzlich erst einmal viele Kommunen im
Kreis erfüllen könnten. Auch Holzwickede mit der
leerstehenden Emscherkaserne oder dem Truppenübungsplatz in
Opherdicke.
In der heimischen Politik herrscht aber laut ersten Reaktionen
weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Forensik für die
kleinste Kommune des Kreises mehr als eine Nummer zu groß ist.
„Es gibt doch eine Landesplanung, wonach solche Funktionen an anderer
Stelle, nämlich in Mittel- oder Oberzentren, erfüllt werden
müssen“, sagt CDU-Fraktionschef Rolf Kersting. Demnach wären
Unna oder Lünen gefordert. „Wir haben auch keine
Grundstücke“, ergänzt Kersting. Eigentümer der
Emscherkaserne sei schließlich der Bund, und die Gemeinde habe
dort planerisch schon etwas vor – nämlich ein neues Wohngebiet,
wenn die Caroline abgeschlossen ist. „Ich finde, wir sind durch den
Flughafen schon genug beeinträchtigt“, so Kersting weiter.
Für Wohnbebauung statt Forensik spricht sich auch die SPD aus. Der
Imageschaden durch eine solche Klinik sei für eine Gemeinde mit
17000 Einwohnern viel schwerwiegender als für große
Städte wie Hagen oder Dortmund, sagt Fraktionsvorsitzender Michael
Klimziak. Ebenso wenig wie sein FDP-Kollege Jochen Hake kann er sich
eine Forensik in Hengsen oder Opherdicke vorstellen. „Der
Truppenübungsplatz ist Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet“,
betont Hake. Eine Umnutzung der Emscherkaserne sei ebenfalls
„indiskutabel“, da die Kaserne direkt an die Wohnbebauung des Breiten
Weges und der Margaretenstraße grenze.
Lars Berger, Vorsitzender der jungeliste, rät vorerst zur
Gelassenheit. Abgeklärt werden müsse aber, inwieweit ein
möglicher Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde rechtlich
überhaupt machbar sei. Ähnlich äußert sich
Bürgerblock-Chef Heinrich Schlinkmann, der zugleich betont, dass
die vier „kleinen“ Parteien auf dem Gelände der Emscherkaserne
keine Wohnbebauung, sondern eine Renaturierung anstreben – „und dabei
wird es bleiben“.
Lediglich Friedhelm Klemp (Grüne) erteilte den
Forensik-Überlegungen nicht per se eine Absage. „Wir können
uns dem prinzipiell nicht verschließen, denn jede Kommune muss
soziale Verantwortung übernehmen“, so Klemp. Er könne sich
schon vorstellen, dass das Gelände der Emscherkaserne für das
Land interessant sei. Falls es wirklich dazu komme, sei es aber extrem
wichtig, die Bürger von Anfang an über alle Schritte
umfassend zu informieren.
Bildunterschrift:
Das Eingangstor zur Emscherkaserne ist seit über sieben Jahren
verschlossen, das Gelände liegt brach. Zumindest
flächenmäßig gäbe es hier genug Platz für
eine forensische Klinik. Gewollt ist sie freilich nicht.
Mehr
Plätze für psychisch
Kranke
Das Land
Nordrhein-Westfalen braucht laut Gesundheitsministerin Barbara Steffens
bis zum Jahr 2020 rund 650 weitere stationäre Plätze für
psychisch kranke Straftäter. Eine Klinik für 138 Insassen
soll im Landgerichtsbezirk Dortmund (Kreis Unna ohne Schwerte, Hamm,
Dortmund) errichtet werden. Gesucht wird eine Fläche von fünf
Hektar (50000 Quadratmeter) Größe. Weitere Kriterien
für die Auswahl sind Verkehrsanbindungen, Eigentümerschaften
sowie planungsrechtliche Grundlagen.
Bildunterschrift: Ein Pförtner beobachtet in der forensischen
Klinik in Dortmund auf verschiedenen Monitoren die Bilder von
Überwachungskameras.
Was wird aus
der Kaserne?
Die Emscherkaserne
war 35 Jahre lang Standort der dritten Staffel der
Flugabwehrraketengruppe 21 – bis zur Schließung im März
2004. Seither wird über eine Folgenutzung diskutiert. CDU und SPD
sprechen sich für eine weitere Wohnsiedlung aus, um noch mehr
junge Familien in die Gemeinde zu locken und so dem demografischen
Wandel entgegenzuwirken. FDP, Grüne, Bürgerblock und
jungeliste favorisieren indes eine Renaturierung des Geländes. Mit
8,8 Hektar Größe würde die Kaserne zumindest
flächenmäßig auch die Anforderungen für eine
forensische Klinik erfüllen.
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