aus Hellweger Anzeiger: Freitag, 06. Mai 2011
Frage
nach Verantwortung bleibt weiter ungeklärt
Politik
wurde nicht ausreichend über Mehrkosten für die neue
Brücke informiert
Von Christina Spill
HOLZWICKEDE • Eigentlich
hatte das Treffen am Mittwochabend zwischen Politik, Verwaltung und den
am Bau der Fußgängerbrücke Neue Caroline beteiligten
Ingenieurbüros Licht ins Dunkle um die Mehrkosten bringen sollen.
Bürgermeister Jenz Rother brachte das Ergebnis der
dreistündigen Sitzung gestern auf den Punkt: „Das war für
alle Seiten unbefriedigend.“
„Wir müssen uns den Vorwurf sicher gefallen lassen, dass wir die
Politik nicht regelmäßig über den Sachstand zur
Brücke informiert haben“, räumte Rother ein. Ob es jedoch
etwas an der jetzigen Situation geändert hätte, so der
Bürgermeister weiter, dass sei für ihn fraglich. Die
Fraktionen hatten vor allem die Frage klären wollen, wer die
Maßnahmen abgesegnet hat, die nun die Kosten für die
Brücke von ursprünglich rund einer Millionen Euro auf – im
schlimmsten Fall – fast 3,5 Millionen Euro haben ansteigen lassen.
Die Aufträge habe der Treuhänder NRW Urban vergeben, sagte
Fachbereichsleiter Jens-Uwe Schmiedgen. „Und NRW Urban sagt, die
Gemeindeverwaltung hat das entschieden“, stellt Michael Klimziak (SPD)
fest, dass die Frage nach der Verantwortlichkeit weiter unbeantwortet
bleibt. Als „unbefriedigend“ bewertet auch Jochen Hake (FDP) das
Treffen am Mittwoch. „Die Umstände, die zu den Mehrkosten
führen würden, waren der Verwaltung schon länger
bekannt“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende gestern. Sie sei
schlichtweg ihrer Informationspflicht gegenüber der Politik nicht
nachgekommen. Edda Röther (jungeliste) sieht in der Diskussion um
die Brücke eine Wiederholung der Ratskelleraffäre – die
Informationspolitik müsse sich endlich verbessern. Der
Grünen-Fraktionsvorsitzende Friedhelm Klemp wirft NRW Urban vor,
ihre Kontrollfunktion als Treuhänder nicht immer professionell
durchgeführt zu haben. „Zum Beispiel wurden
Auftragsveränderungen angeordnet, ohne die konkreten Zahlen
dafür zu ermitteln“, heißt es in einer Stellungnahme.
Ein erster Anstieg der Kosten für die Brücke erkläre
sich dadurch, so Fachbereichsleiter Schmiedgen, dass man viele
kostenrelevante Randbedingungen wie die Lage der Brücke, den
Baugrund, die Treppenanlagen oder auch die technischen Belange seitens
der Deutschen Bahn erst im weiteren Planungsverlauf habe
berücksichtigen können. Im März 2009 ergab sich somit
bereits ein Gesamtaufwand inklusive Ingenieursleistungen und sonstigen
Planungskosten von rund 2,1 Millionen Euro. Die genaue Lage der
Brücke stand zum Zeitpunkt der ersten Kostenbetrachtung noch nicht
fest: Zunächst war geplant gewesen, fünf Gleise zu
überbauen, die Brücke hätte demzufolge eine Länge
von 52 Metern erreicht. Doch das Bauwerk musste in Richtung Osten
verschoben werden, und es galt nun, sechs Gleise zu
überbrücken. Mittlerweile waren im Norden das Seniorenhaus
Neue Caroline, im Süden ein Discounter errichtet worden –
dementsprechend mussten auch die Treppen angepasst werden.
Insgesamt sind es 60 Nachträge, die die Kosten für die
Brücke rapide haben ansteigen lassen. Diese Zusatzaufwendungen
müssen allerdings noch geprüft werden, sprich, Gründe
für Mehrkosten müssen nachvollziehbar und die Höhe
dieser Mehrkosten angemessen sein – andernfalls könnte auch vor
Gericht entschieden werden, ob die Gemeinde die Kosten tragen muss oder
nicht. „Bei den 3,4 Millionen handelt es sich um den Worst Case, das
ist das Maximum, das die Brücke kosten könnte“, erklärt
Heribert Schönauer, der neue Beigeordnete.
Die sieben größten Posten konnte Jens-Uwe Schmiedgen gestern
nennen. Für den Baugrund, sprich für das Fundament des
Mittelpylons, waren nachträglich noch 44000 Euro veranschlagt
worden. Die Schächte für die Aufzüge standen schon, als
klar wurde, dass sie für Rollstuhlfahrer breiter werden
müssen – 49500 Euro zusätzlich. Das Beleuchtungskonzept der
Brücke musste verändert werden, Handläufe aus Edelstahl
mit integrierter Beleuchtung wurden installiert – 97600 Euro. Hinzu
kommen Kosten von 85600 Euro für ein spezielles Gerüst, dass
nach Vorgaben der Bahn aufgestellt werden musste, Oberleitungen waren
im Weg, was 43000 Euro kostete, statt einer Fußbodenheizung, die
den Winterdienst überflüssig machen sollte, musste dann doch
Gussbeton auf die Brücke (93800 Euro), und Planänderungen im
Stahlbau ergaben 180700 Euro.
„Ich hatte mir von dem Termin erhofft, dass danach klar ist, welche
Nachträge begründet und welche strittig sind“, sagte Michael
Klimziak (SPD) gestern. Rolf Kersting (CDU) betonte noch einmal, dass
schließlich der Rat der Auftraggeber gewesen sei, und dem sei
schließlich nach Prüfung all der Nachträge eine
Beschlussfassung vorzulegen. Nun wird sich ein kleiner Kreis aus
Fraktionsvertretern und verantwortlichen Ingenieurbüros der
Klärung der Kostenexplosion, aber auch der
Verantwortlichkeitsfrage widmen.
Bildunterschriften
unter Fotos der Brücke:
• Im schlimmsten
Fall sollen die Kosten für die Brücke Neue Caroline bei rund
3,5 Millionen Euro liegen. Die Politik fühlt sich übergangen:
Die Verwaltung habe schon früher von den Mehrkosten gewußt
und nicht informiert.
• Auch weil der
Bahnverkehr bei Baumaßnahmen für die Neue Caroline ruhen
mußte, fielen mehr Kosten an.
|