aus Hellweger Anzeiger: Samstag, 24. April
2010
Fall Ratskeller noch lange nicht
aufgeklärt
Rother
übernimmt als Verwaltungschef die Verantwortung
Von
Gabriele Hoffmann
HOLZWICKEDE • "Schlimme
Versäumnisse" über Jahre innerhalb der Verwaltung hat
Bürgermeister Jenz Rother im Fall Ratskeller eingeräumt.
Am Donnerstagabend unternahm die Verwaltung den Versuch, die Sache
aufzuklären. Hinter verschlossen Türen tagten die
Verwaltungsspitze und die Mitglieder des Haupt-, Finanz- und
Personalausschusses. Nach stundenlanger Diskussion bleiben Fragen offen.
Seit 2001 war der ehemalige Rathauswirt Guiseppe Dota mit
Steuerzahlungen und Miete im Rückstand. Der Gemeinde soll ein
Schaden von rund 90000 Euro entstanden sein. Warum nicht schon viel
früher Mahnverfahren und Zahlungsforderungen eingeleitet wurden,
wurden nicht beantwortet. Die Fraktionen sind verstimmt. Neben dem
Bürgermeister ist auch die Finanzverwaltung in die Schusslinie
geraten.
FDP-Fraktionsvorsitzender Jochen Hake ist überzeugt, dass bei
früherem Eingreifen ein Großteil des Schadens hätte
verhindert werden können. Die FDP will künftig
regelmäßig die Schuldnerlisten sehen. Hake schließt
„Defizite bei Kämmerei und der Kassenleitung“ nicht aus. Die
Kontrollfunktion liege aber letztlich beim Bürgermeister.
Dass Rother erst seit vergangenem Jahr von der Zahlungsunfähigkeit
des Gastwirtes weiß, nimmt ihm CDU-Parteichef Frank Lausmann
nicht ab. „Warum wurde nicht schon früher mit der Aufhebung des
Pachtverhältnisses gedroht?“, fragt Lausmann. „Ein unglaublicher
Vorgang.“
Grobe Fahrlässigkeit wirft Friedhelm Klemp, Fraktionschef der
Grünen, der Verwaltung vor. Für Mahnverfahren sei der
Kassenleiter zuständig. „Aber warum sollte er bei einem einzigen
Fall unkorrekt arbeiten?“, fragt sich Klemp und bezweifelt, dass der
Bürgermeister neun Jahre lang nichts gewusst hat.
Für Beate Redder („jungeliste“) war die Sitzung unbefriedigend und
behält einen bitteren Nachgeschmack. „Schade, dass die Verwaltung
nicht wirklich sagt, wie alles zustande gekommen ist.“ Die SPD hielt
sich gestern, wie schon in der stimmungsgeladenen Sitzung am
Donnerstagabend, zurück. Fraktionsvorsitzender Michael Klimziak
meinte nur, „die Fehler sind nicht zu beschönigen. Es gibt nichts
zu entschuldigen.“
Heinrich Schlinkmann, Fraktionsvorsitzender des Bürgerblocks,
nimmt ebenfalls den Kassenleiter ins Visier, wirft Rother gleichzeitig
vor, die Verwaltung nicht im Griff zu haben. Schlinkmann stellt sich
die Frage „ob die richtigen Leute an der richtigen Stelle“ sitzen. Es
müsse eine Erklärung geben für den langen Zeitraum und
die Höhe der Summe, ist er überzeugt. Aber es wird gemauert,
meinte er gestern.
Bleibt nun abzuwarten was das Rechnungsprüfungsamt des Kreises
herausfindet.
Bildunterschrift
unter einem Foto des Rathauses: Lange hat sich die Verwaltung im
Ratskeller in Schweigen gehüllt. Der Versuch der Aiufklärung
am Donnerstagabend ist nicht wirklich gelungen. Noch immer sind die
Fragen offen, Vorgänge verschleiert.
Stellungnahme
des Bürgermeisters
Im Februar dieses
Jahres hat das Finanzamt angeregt aufgrund von Unzuverlässigkeit
des Pächters ordnungsrechtlich einzuschreiten und dem Pächter die Konzession zu entziehen.
Das Gewerbeuntersagungsverfahren wurde umgehend eingeleitet und in keiner Weise
behindert.
Um den der
Gemeinde entstandenen Schaden so gering wie möglich zu halten,
haben wir bereits die zu Beginn des Pachtverhältnisses hinterlegte
Bürgschaft abgerufen und unsere Eigenschadenversicherung
eingeschaltet. Da die
Ursachen für das Zustandekommen des Schadens noch nicht klar sind,
werde ich umgehend das Rechnungsprüfungsamt des Kreis Unna als
unabhängige neutrale Stelle mit einer Untersuchung der
Angelegenheit beauftragen, um eine Wiederholung absolut
auszuschließen. Mir werden zukünftig monatlich alle
Außenstände über 5000 vorzulegen sein, und wir werden
gemeinsam entscheiden wie
damit umzugehen ist.
Ich bedauere
zutiefst das Zustandekommen dieses Missstandes und weiß, dass ich als Chef der Verwaltung letzte
Verantwortung dafür trage.
Keine
Zustimmung zu Beförderungen
Stellenplan in
der Kritik – Personalkonzept angemahnt
Bereits im
öffentlichen Teil des Haupt-, Finanz- und Personalausschusses
musste die Verwaltung harsche Kritik einstecken. Mit dem vorgelegten
Stellenplan waren die Fraktionen gar nicht einverstanden.
Die Verwaltung will die geforderte Schulsozialarbeiterstelle nicht
ausweisen, aber in einigen Fachbereichen Neubewertungen von Stellen,
sprich Beförderungen, vornehmen. Außerdem wurde eine neue
Assistenzstelle geschaffen. Bis auf die Einrichtung eines
Ausbildungsplatzes waren die übrigen Punkte umstritten.
Die CDU mahnte das vom Gemeindeprüfungsamt empfohlene
Personalkonzept an und machte erneut auf die Dringlichkeit eines
Beigeordneten aufmerksam. Der Bürgerblock kritisierte, dass nicht
genügend gespart, ja sogar noch eineinhalb Stellen dazugekommen
seien. Fraktionschef Schlinkmann nannte die Personalplanung
„unseriös“. Auch er will dem Bürgermeister in Anspielung auf
den Fall Ratskeller wieder einen Beigeordneten zur Seite stellen.
Diese Stelle bekommt jetzt auch für die FDP „anderen Glanz“
(Fraktionschef Hake). Die Neubewertungen der Stellen trägt die FDP
nicht mit: „Motivation sollte nicht nur vom Geld abhängen.“ Die
SPD trägt den Plan wegen der gestrichenen Sozialarbeiterstelle
nicht mit.
Auch „jungeliste“ und Grüne lehnten den Stellenplan in der
vorgelegten Form ab.
Schließlich einigte sich der Ausschuss nach einer teils hitzigen
Debatte mit vielen Vorwürfen an die Verwaltung auf den Vorschlag
von Friedhelm Klemp (Grüne), den alten Stellenplan beizubehalten.
Änderungen sollten mit einem Personalkonzept im
Haushaltssicherungskonzept berücksichtigt werden.
Auch beim Haushaltssicherungskonzept wurde die aufgeladene Stimmung
deutlich. Der Plan der Verwaltung, auf externe Berater zu verzichten,
stieß auf deutlichen Widerspruch. Bürgermeister Rother
versprach, bis zur ersten Sitzung des Arbeitskreises mit dem Bund der
Steuerzahler Kontakt aufzunehmen. Der Vorschlag, Beratung in Anspruch
zunehmen, stammt aus den interfraktionellen Gesprächen. • ho-
Kommentar
Ein Versuch
einer Erklärung
Der
Bürgermeister übernimmt die Verantwortung. Etwas anderes
bleibt ihm als Verwaltungschef im Fall Ratskeller auch nicht übrig.
Warum es allerdings überhaupt soweit kommen konnte, die Frage
bleibt auch nach der Aussprache am Donnerstagabend nach der
öffentlichen Sitzung des Haupt-, Finanz- und Personalausschusses
unbeantwortet.
Jenz Rother gibt Fehler zu – auch eigene, er gibt auch Defizite bei der
Kommunikation innerhalb der Verwaltung zu. Aber er schiebt keinem
Mitarbeiter den Schwarzen Peter zu, obwohl die Politik längst
einen kritischen Blick auf die Finanzsteuerung geworfen hat. Das mag
ihn einerseits ehren, hilft aber nicht viel weiter bei der
Aufklärung. Und diese muss schonungslos erfolgen. Nach neun Jahren
darf das wohl erwartet werden.
Wer hat was seit wann gewusst und warum vertuscht? Auf diese Fragen
erhofften sich die Fraktionen ehrliche Antworten. Die Unzufriedenheit
nach dem Gespräch ist verständlich.
Schadensbegrenzung ist jetzt dringend angesagt. Dabei spielt der
finanzielle Schaden nur eine Rolle. Auch das Ansehen der Verwaltung hat
Schaden genommen. In der Öffentlichkeit ist von Vetternwirtschaft
und zweierlei Maß die Rede.
Das Rechnungsprüfungsamt des Kreises Unna soll die Kohlen jetzt
aus dem Feuer holen. Die Finger verbrannt haben sich längst andere.
•
Gabriele Hoffmann
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