aus Hellweger Anzeiger: Donnerstag, 15. Januar
2009
Allerlei theoretische Grausamkeiten
Praktisch traut sich bisher niemand an
die Sparliste – auch der Landrat selbst nicht
Von Silvia
Rinke
KREIS UNNA • Das
Geldgeschenk zum 100. Geburtstag, zur Eisernen
Hochzeit: gestrichen. Die Kreisrundfahrt für Senioren: gestrichen.
Schwimmkurse für islamische Frauen: kein Geld dafür.
Zwei neue Schulsozialarbeiter für die Berufskollegs, eine eigene
Touristenbroschüre für die Kulturhauptstadt 2010, nicht
zuletzt das gerade erst mühsam eingeführte Sozialticket
für den Bus. Gestrichen, gestrichen, gestrichen. Fort damit!
Zeitgleich auf dem Verschiebebahnhof namens „lange Bank“:
Zuschüsse jedweder Art quer durchs Bedarfsbeet der Kommunen, von
der Schuldner- über die Verbraucher- bis zur Wohnberatung. Oder
Anstriche, außen wie innen, an sämtlichen Schulen.
Brückensanierungen, Straßensanierungen. Aufgeschoben oder
gleich ganz aufgehoben. Das alles droht, sollte die Kreispolitik die
Liste potenzieller Einsparposten, die der Landrat vorgelegt hat,
wahrhaftig beschließen. Danach sieht es freilich mitnichten aus.
Schon der Landrat selbst wehrt die von seinem Kämmerer
zusammengestellte Ansammlung möglicher Grausamkeiten hektisch von
sich ab. Es handele sich, so heißt es einleitend zur
„Übersicht möglicher Entlastungspotenziale zum Kreishaushalt
2009“ vorsorglich, „nicht um einen Vorschlag des Landrats oder eine
Vorlage für den Kreistag“ (das „nicht“ ist fettgedruckt). Sondern:
„um eine Materialsammlung für die weitere politische Diskussion.“
Deutlicher noch und im Klartext: „Wie die Politik mit dieser Liste
umgeht, entscheidet sie allein“, ließ der Kreiskämmerer
gestern in dürren Worten ausrichten.
Wie die Politik denn umgehen wird mit dieser „Arbeitsgrundlage“, steht
zumindest in der Grundrichtung fest. Sie wird die „möglichen
Entlastungspotenziale zum Kreishaushalt 2009“ auf jeden Fall nicht
zielführend für den Kreishaushalt 2009 beschließen
(können). Wenn es nach CDU-Fraktionschef Jasperneite geht, wird
sie noch nicht einmal darüber beraten. Er wirft Verwaltungschef
Makiolla frappante Versäumnisse in Bezug auf seine Verantwortung
für die Kreisfinanzen vor. „Der Landrat findet in dieser
Diskussion überhaupt nicht mehr statt“, kritisiert der
CDU-Fraktionschef, selbst ambitioniert fürs Landratsamt. „Er rennt
zu Schlaumäusen in den Kindergärten, klinkt sich aus der
Diskussion um den Haushalt aber seit Monaten vollständlig aus. Die
Verantwortung dafür ist aber hoheitliche Landratsaufgabe!“ An
diesem Anspruch will sich Jaspernete, sollte er denn die Wahl gegen
Makiolla gewinnen, ab Juni auch selbst messen lassen, unterstrich er
auf Nachfrage.
Im Übrigen liege den Fraktionen die „Übersicht möglicher
Einsparpotenziale“ schon seit Dezember vor.
Bildunterschrift
unter einer Fotomontage" Kreishaus und Geldscheine": Theoretisch
lässt sich's im Kreishaus an vielen Stellen sparen, praktisch
sieht die Sache anders aus. Der Landrat sieht die Politik in
Bringschuld handfester Vorschläge, die CDU fordert sie ihrerseits
vom Landrat. Dabei nennt sie als Zielvorgabe 44 - 44 Prozent
Kreisumlage wie bisher.
Bildunterschrift
unter einer Seniorin mit Kindern: Theoretisches "Entlastungspotenzial":
Verzicht auf Geldleistungen für Alters- und Ehejubiläen" (15
000 €/Jahr).
Bildunterschrift:
"Entlastungspotenzial" auch an Kollegs (im Bild die Sanierung am Hansa)
- z.B.: keine neue Toilettenanlage am Hansa-Kolleg (95 000 €).
Stellungnahme Wilhelm Jasperneite
„Zielgröße
44, Herr Landrat!“
„Wer nicht
führt, wird vorgeführt“, predigt der
christdemokratische
Landratskandidat Wilhelm Jasperneite seinem
Kontrahenten Makiolla. Daherist der CDU-Chef nicht gewillt, aus den
„theoretisch möglichen“ Sparmaßnahmen der Kreisverwaltung
jetzt ohne weiteres Zutun derselben – also ausschließlich in
politischer Verantwortung – ein praktisch-grausames Sparkonzept zu
formen. „Wir werden unser weiteres Vorgehen mit der Liste am Wochenende
in der Klausur beraten“, kündigte Jasperneite an. Dabei sei es
durchaus denkbar, dass die CDU den Auftrag, effektive Einsparungen im
Kreishaushalt zu erarbeiten, offiziell per Antrag an den Landrat
zurückgibt: „Mit der Zielvorgabe 44 – also die Kreisumlage
unverändert bei 44 Punkten zu halten.“
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