aus Hellweger Anzeiger: Mittwoch, 11.
November 2015
„Die Posten
sind nicht dem Bürgermeister
vorbehalten“
SPD und
CDU verteidigen Entscheidung im Rat –
Ärger bei Klausurberatung
Von
Christian Vormbrock
HOLZWICKEDE • In den
vergangenen Jahren gab es wenige
Entscheidungen, die für derart
emotionale Diskussionen im Gemeinderat
sorgten, wie die Besetzung der
Aufsichtsratsposten in UKBS und WFG
durch Vertreter von CDU und SPD Ende
Oktober. Auch die Holzwickeder Bürger
mischten sich ein.
Gut ein Dutzend Leserbriefe gingen zu
dem Thema in den vergangenen Tagen in
der Redaktion dieser Zeitung ein – für
die Emschergemeinde eine durchaus
erstaunliche Anzahl.
Was war passiert? In der vergangenen
Sitzung des Gemeinderates, der ersten
nach der Vereidigung von Ulrike Drossel
als neuer Bürgermeisterin, besetzten
SPD und CDU mit ihrer Mehrheit die
Aufsichtsratsposten in der
Wirtschaftsförderungsgesellschaft des
Kreises Unna (WFG) und der Unnaer
Kreis-, Bau- und Siedlungsgesellschaft
(UKBS) mit Monika Mölle (SPD) und Frank
Lausmann (CDU), den beiden
stellvertretenden Bürgermeister. Die
drei brigen, „kleinen“ Fraktionen
empörten sich in der Folge über diese
Vorgehensweise, da die Ämter in der
Vergangenheit von Bürgermeister Jenz
Rother besetzt worden waren. „Und da
sehen wir diese Posten auch, als
typische Posten des Bürgermeisters,
unter anderem wichtig für das
Netzwerken“, bekräftige Jochen Hake, der
Fraktionsvorsitzende der FDP gestern
noch einmal gegenüber unserer Zeitung.
Auch viele Holzwickeder sahen dies in
den Leserbriefen ähnlich, bemängelten
die eigentlich zuvor zugesagte
Unterstützung der neuen
Bürgermeisterin.
Michael Klimziak, der
Fraktionsvorsitzende der SPD, machte
gestern im Gespräch mit unserer Zeitung
noch einmal deutlich, dass diese
Entscheidung nicht ungewöhnlich sei, da
beide Posten bereits im Vorfeld von
Ratsvertretern und nicht vom
Bürgermeister ausgeübt worden sein. So
habe Monika Mölle den
Aufsichtsratsposten bei der WFG auch in
der ersten Wahlperiode von Jenz Rother
bekleidet. „Das sind und waren keine
Posten, die nur dem Bürgermeister
vorbehalten sind“, so Klimziak. „Wir
halten die beiden langjährigen
Stellvertreter für diese Posten als
sehr geeignet. Und da Frau Drossel ja
immer von Teamfähigkeit spricht, kann
sie diese nun ihrerseits unter Beweis
stellen“, so Klimziak.
Frank Markowski von der CDU sieht dies
ähnlich und betont, dass dies keine
Aufkündigung der Unterstützung für
Ulrike Drossel sei – ganz im Gegenteil,
sie sei ja in der Ratssitzung auch in
viele Gremien hineingewählt worden,
einstimmig. „Wenn unsere demokratische
Entscheidung allerdings Missfallen
ausgelöst hat, so tut uns dies
natürlich leid – aber es macht diese
Entscheidung nicht falsch.“
Dies sehen die anderen Fraktionen
vollkommen anders. „In den
Abstimmungsgesprächen nach der
Kommunalwahl stand eine solche
Verhaltensweise überhaupt nicht zur
Disposition. Wäre dies der Fall gewesen,
hätte man vielleicht ganz anders
verhandelt“, erklärt Jochen Hake. Er
sieht in der Absprache von SPD und CDU
einen klaren Vertrauensbruch.
Ähnlich sieht dies auch Thomas Wolter,
der Fraktionsvorsitzende des
Bürgerblocks. „Das war eines
politischen Verhaltens einfach nicht
würdig. Wir haben in den vergangenen
Jahren immer diesen Posten als gesetzt
gesehen für den Bürgermeister. Die
Wahlen bei Jenz Rother waren meiner
Ansicht nach immer einstimmig.“
Und Friedhelm Klemp, der
Fraktionsvorsitzende der Grünen,
erinnert an den Vorschlag seiner Partei
vor einigen Jahren den WFG-Posten mit
dem Vorsitzenden des
Wirtschaftsausschusses und den
UKBS-Posten mit dem Vorsitzenden des
Planungsund Bauausschusses zu besetzen.
„Damals wurde dieser Vorschlag abgelehnt
mit der Begründung, dies seien beides
Bürgermeisterposten“, sagt Klemp.
Bekommt die sonst so harmonisch und
konstruktiv verlaufende Zusammenarbeit
zwischen den Fraktionen also Risse? „Die
politische Arbeit wird vielleicht etwas
schwieriger werden“, glaubt Friedhelm
Klemp. Darauf deutet auch ein Vorfall
bei der SPD-Klausursitzung hin (siehe
kleinen Text). Jochen Hake indes, sieht
das anderes: „Dass sich das Verhältnis
zwischen den Parteien verschlechtert,
sehe ich nicht als zwangsläufige
Konsequenz. Wir sollten vielmehr jetzt
wieder zum Tagesgeschäft übergehen und
gute Politik für Holzwickede machen.“
Bildunterschriften:
• Der Rat der Gemeinde Holzwickede,
hier noch in seiner alten Aufteilung
im Schulzentrum, funktioniert
eigentlich sehr harmonisch, da die
Ratsparteien zu 90 Prozent eine
Einigkeit im Vorfeld herstellen
können.
• Bürgermeisterin Ulrike Drossel bei
ihrer Amtseinführung mit Ehemann
Detlef. Daneben sitzen die beiden
stellvertretenden Bürgermeister
Monika Mölle und Frank Lausmann.
Kommentar
Reinigendes
Gewitter kann auch guttun
Von
Christian Vormbrock
In der
Emschergemeinde passiert es nicht oft,
dass sich die fünf Parteien so richtig
„in die Haare kriegen.“ Ganz im
Gegenteil: Vor allem während der
Haushaltsreden in der letzten Sitzung
des Gemeinderates im Dezember fällt
immer wieder auf, dass die Parteien
untereinander kaum kritisch miteinander
umgehen – verbale Attacken gegen
Verwaltung und den politischen Gegner,
wie es sie vielleicht in Nachbarstädten
zu solchen Gelegenheiten gibt, sind
Mangelware. Eigentlich schade, denn eine
gepflegte und auch mal deftige
Aussprache kann ein reinigendes Gewitter
sein. Von diesem Punkt aus betrachtet,
ist der Streit um die Vergabe der
Aufsichtsratsposten, der derzeit schwelt
und auch die Holzwickeder Bürgerschaft
enorm beschäftigt, wohl positiv zu
sehen. Allerdings wäre es ein Fehler,
die Emschergemeinde politisch mit
anderen Kommunen zu vergleichen. Denn
die nach außen vielleicht vermittelte
unkritische Haltung gegeneinander ist
vielmehr Ergebnis eines seit Jahren
laufend vollzogenen
Abstimmungsprozesses. Die Fraktionen
reden einfach mehr mit einander, als
dies vielleicht in anderen Kommunen der
Fall ist. Und dies sollten sie jetzt
auch wieder tun, denn die kommenden
Aufgaben können nur gemeinsam gelöst
werden. Für verletzte Eitelkeiten oder
Machtdemonstrationen ist da kein
Platz.
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