aus Hellweger Anzeiger: Mittwoch, 16.
Oktober 2013
Ängste
und Hoffnungen prallen frontal
aufeinander
Bei den
Bürgern schlagen die Emotionen hohe
Wellen. Fraktionen fordern
Nachbesserung
bei der Stellungnahme der Gemeinde
im Planfeststellungsverfahren für
die L 677n.
Von Gabriele
Hoffmann
HOLZWICKEDE •
Schon draußen vor der Tür wurden die
Ausschussmitglieder von Transparenten
empfangen und mussten sich den Weg zum
Sitzungsort durch Dutzende von Menschen
bahnen. Im Schulforum verfolgten
schließlich gut 200 Personen die
Diskussion der 15 Mitglieder des
Planungs- und Bauausschusses. Eine
derart große Zuschauerkulisse gab es bei
noch keiner anderen Sitzung, die der
Vorsitzende, Michael Klimziak (SPD),
denn auch als eine „wahrhaft besondere“
eröffnete.
Der Tagesordnungspunkt, auf den die
meisten Bürgerinnen und Bürger warteten,
war die Stellungnahme der Gemeinde im
Planungsfeststellungsverfahren für die L
677n. Es ging nicht um einen neuen
Beschluss zur Umgehungsstraße.
Gleichwohl unternahmen die Grünen den
Versuch, einen Stimmungswechsel
herbeizuführen. Doch das gelang auch
nicht mit der geheimen Abstimmung, das
Verfahren zu stoppen. Das Ergebnis
spiegelte nur die Mehrheitsverhältnisse
im Rat.
Viele Holzwickeder Bürger jedoch nutzten
die Gelegenheit, um laut und deutlich
ihre Ablehnung zu dem Straßenbauprojekt
zu demonstrieren. Viel Mühe hatten sie
sich mit der Gestaltung von Plakaten und
Transparenten gemacht.
Die größten Sorgen sind eine stärkere
Verkehrsbelastung als bisher, weil die
Umgehungsstraße als eine Querverbindung
von einer Autobahn zur anderen gesehen
wird und dadurch noch mehr Fahrzeuge
über die Schwerter Straße und den
Hengser Kreisel fahren. „Da wird es dann
richtig laut“, meinte Anwohnerin Petra
Marx, während ihr Mann Detlev ein
XL-Plakat in die Höhe reckte. Dieter
Bockholt spürt schon jetzt
gesundheitliche Auswirkungen durch den
zunehmenden Verkehr an der Kreuzung
Goethestraße/Massener
Straße/Billmericher Weg und kann seinen
Garten nicht mehr nutzen. Diese Kreuzung
wird wie andere auch zu einem großen
Kreisverkehr ausgebaut. Horst Kempf
wedelte gleich mit zwei Schildern und
regte sich über die Verschwendung von
Steuergeldern und Natur auf. Susanna
Hoppe, Anwohnerin der ehemaligen
Fünfer-Kreuzung demonstrierte, weil sie
die Zerstörung des Naherholungsgebietes
entlang der Massener Straße befürchtet.
Dort geht sie oft mit ihrer vierjährigen
Tochter spazieren.
Die Gründe, weshalb viele Holzwickeder
gegen die L 677n sind, sind
vielschichtig und wurden in der Sitzung
fortgeführt. An der Wasserstraße zum
Beispiel befürchten die Anwohner die
Verschmutzung des
Landschaftsschutzgebietes durch das dort
geplante Regenrückhaltebecken.
Wertminderung der Immobilien durch den
Lärmschutzwall, ein Verkehrskollaps in
Hengsen, wo die neue Straße einfach auf
der Massener Straße endet oder eine
spätere Anbindung des Gewerbegebietes
Dortmund-Wickede über den sogenannten
Fleischerhaken am Flughafen sind nur
einige der Sorgen, die die Straßengegner
umtreiben.
Werben
um Verständnis
Dem
gegenüber stehen Appelle von Haupt- und
Nordstraßenanwohnern, die täglich Ängste
um ihre Kinder auf dem Schulweg haben
und sich von der L 677n die von
Verkehrsplanern und Politikern
versprochene Entlastung und Beruhigung
erhoffen. Die Gruppe der
Straßenbefürworter war deutlich kleiner,
aber auch sie hat aus ihrer Sicht
stichhaltige Argumente. „Wir haben den
Verkehr direkt vor der Tür. Die neue
Straße verläuft 40 Meter weit entfernt
von den Häusern an der Massener Straße
und hinter einem Wall“, war zu hören.
Dieter Niederstadt warb um Verständnis
für die Anwohner der Hauptstraße und
berichtete von erdbebenartigen
Vibrationen, wenn ein Bus am Haus
vorbeifährt. Argumenten den Tier- und
Naturschutz betreffend wurden
Zwischenrufe wie: „Wer schützt die
Menschen an der Nordstraße?“
entgegengehalten.
Die Emotionen schlugen hohe Wellen. Es
gab auch polemische, überspitzte
Äußerungen und auch die Diskussion der
Ausschussmitglieder war phasenweise sehr
heftig und vor allem konträr. Dennoch
blieb die Debatte im Großen und Ganzen
trotz wiederholter Lautäußerungen,
Zwischenrufe und immer wieder
Beifallsbekundungen recht sachlich.
Betroffene versicherten sich sogar
gegenseitiges Verständnis.
In die Stellungnahme der Verwaltung (wir
berichteten) werden bis zur Ratssitzung
morgen noch die von FDP und Bürgerblock
vorgeschlagenen und im Wesentlichen
übereinstimmenden Änderungswünsche,
beispielsweise zur Anbindung der
Montanhydraulikstraße an die L 677n, zur
Absicherung des Schürkampwegs oder
zusätzlicher Lärmschutzmaßnahmen,
eingearbeitet. Die FDP forderte zudem
Kreisverkehre statt mehrerer
Ampelkreuzungen auf der Chaussee im
Bereich der neuen Autobahnanbindung am
Oelpfad. Die vielen Ampelphasen würden
die Attraktivität der Auffahrt
vermindern, meinen die Liberalen. Gegen
die Stimmen der Grünen und des
Bürgerblocks wurde die Stellungnahme der
Verwaltung mit den Änderungen
beschlossen.
Zuvor hatten alle Fraktionen noch einmal
ihre jeweils unveränderte grundsätzliche
Haltung zur Ortsumgehung deutlich
gemacht.
Bildunterschriften:
• Schon der Aufmarsch draußen vor dem
Forum war beeindruckend. Die Kulisse
drinnen zur Sitzung des
Planungsausschusses noch mehr.
Ungefähr 200 Menschen füllten die
Zuschauerplätze, und viele nutzten
später die Möglichkeit, sich am
Mikrofon zu äußern.
• Die Grünen kamen mit ihrem Antrag,
dem Rat zu empfehlen, das
Planfeststellungsverfahren zu stoppen,
nicht durch. Hier Dietmar Appel
(Grüne) bei der Abgabe der Stimme,
Beigeordneter Heribert Schönauer
überwachte die eilig organisierte,
geheime Abstimmung.
• Landschaftswächter beim Kreis Unna,
Jörg Raffel, ist zuständig für den
Bereich Massener Straße/Wasserstraße.
Er wies darauf hin, dass dort
Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen
sind, wo bedrohte Tiere der Roten
Liste leben. Er warnte vor dem
massiven Eingriff in die Natur.
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