aus Hellweger Anzeiger: Montag, 16.
September 2013
Im
Auftrag behinderter Menschen
Wie
CDU-Kandidat Hubert Hüppe eine Wahl
verlor und doch seinen politischen
Traumjob bekam
Von Johannes Brüne
KREIS
UNNA •
Über das Amt, das dem
CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe
am meisten am Herzen liegt, entscheiden
nicht die Wähler. Seit Anfang 2010
fungiert er als Beauftragter der
Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen. Und damit ist er dem
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
zugeordnet.
Für Hüppe, der selbst einen behinderten
Sohn hat und der seit vielen Jahren
Behindertenpolitik betreibt, stellt diese
Aufgabe so etwas wie einen politischen
Traumjob dar. Eigentlich sollte und wollte
er den schon 2005 bekommen: Doch in der
Großen Koalition übernahm der
Sozialdemokrat Franz Müntefering das
Sozialministerium, und der suchte sich
einen anderen Beauftragten als den
Christdemokraten Hüppe. Vier Jahre später
reichte es für Schwarz-Gelb – doch
zunächst sah es nach der Bundestagswahl
2009 so aus, als sei die Zeit des
Bundespolitikers Hubert Hüppe zu Ende. Den
Wahlkreis hatte wieder und wenig
überraschend der sozialdemokratische
Konkurrent gewonnen. Und Hüppes Platz auf
der Landesliste reichte auch nicht, um
erneut ins Parlament einzuziehen – dem
hatte Hüppe immerhin seit 1991 angehört.
Vorher arbeitete er in der Verwaltung
seiner Geburtsstadt Lünen.
Angesichts seiner persönlichen
Wahlniederlage kam die Berufung in das
neue Amt eher überraschend, sagt Hüppe:
„Es musste erst einmal geklärt werden, ob
jemand, der nicht im Bundestag sitzt, es
überhaupt übernehmen darf.“ Er durfte.
Allerdings dauerte es auch nicht allzu
lange, bis Hüppe wieder über ein
Abgeordnetenmandat verfügte: Im September
2012 rückte er für den verstorbenen Jürgen
Herrmann aus Höxter in den Bundestag nach.
Für seine Arbeit als
Behindertenbeauftragter hat das Vorteile:
„Ich habe Rederecht im Parlament.“ Vorher
durfte er zwar auf der Regierungsbank
sitzen, sich aber nicht zu Wort melden.
Wegen seiner Aufgabe als
Regierungsbeauftragter ist Hüppe kein ganz
„normaler“ Bundestagsabgeordneter: „Ich
bin von der Ausschuss-Arbeit befreit“,
erläutert er. „Und ich muss auch nicht in
jede Fraktionssitzung.“ Das bedeutete aber
keineswegs, dass er von der alltäglichen
Parlamentsarbeit nichts mitbekommt,
versichert er. Im Gegenteil: Sein Amt als
Behindertenbeauftragter sei eine
ausgesprochene „Querschnittsaufgabe“, bei
der er sich mit zahlreichen
unterschiedlichen politischen Sachgebieten
befassen muss: „Es gibt so gut wie keinen
Bundestagsausschuss, in dem ich in dieser
Legislaturperiode nicht gewesen bin.“
Zudem ist Hüppe in seiner Funktion bis zu
einem gewissen Maß zur Überparteilichkeit
verpflichtet: „Ich war sogar bei einer
Veranstaltung der Fraktion der
Linkspartei.“ Der Gesichtsausdruck, mit
dem der Christdemokrat das sagt, lässt
ahnen, was für eine Zumutung das für ihn
bedeutete. Aber wenn es um die Belange der
behinderten Menschen geht, dann legt sich
Hüppe auch schon mal mit Parteifreunden
an. Zumal die „Szene“, wie Hüppe die
Aktivisten der verschiedenen
Behindertenverbände und Organisationen
nennt, nicht unbedingt der CDU nahe
stehen.
Dennoch, glaubt Hüppe, hat er ihren
Respekt erworben, weil er sich für sie
einsetzt. Allerdings sieht er sich nicht
nur als reiner Interessenvertreter. Der
„Mehrfachschwerstnormale“, wie er sich mit
ironischem Unterton nennt, will auch den
Blick der nicht behinderten Menschen auf
Menschen mit Behinderungen ändern. Denn
auch Wohlmeinende haben zuweilen eine
etwas eingeschränkte Perspektive. Hüppe,
der sich da durchaus mit einschließt,
nennt ein Beispiel aus dem Bundestag. Der
veranstaltete einen „Tag der Menschen mit
Behinderungen“, an dem jeder
Parlamentarier einen Behinderten einladen
sollte. „Die Hälfte der Abgeordnete
brachte einen Rollstuhlfahrer mit.“ Das
hatte zur Folge, dass die Veranstaltung
abgesagt werden musste, weil sich der
Sicherheitsdienst außer Lage sah, das
Gebäude im Falle eines Brandes zu
evakuieren. Aber später ist der „Tag der
Menschen mit Behinderungen“ im Bundestag
nachgeholt worden. Und zumindest ein Teil
seiner Kollegen habe bei der Gelegenheit
verstanden, dass es auch Menschen mit
Hörbehinderung, Blinde oder psychisch
Kranke gebe, meint Hüppe.
Als CDU-Abgeordneter ist Hüppe aber eben
auch Parteipolitiker. So sitzt er dem
CDU-Kreisverband Unna vor. „Und im
Wahlkreis sprechen mich die Menschen auf
alle möglichen Themen an“, meint er.
Behindertenpolitik spielt da eine
untergeordnete Rolle. Genau diesen
politischen Schwerpunkt will Hüppe aber
weiterhin bearbeiten. Ob er das auch
tatsächlich kann, ist unsicher. Seinen
Wahlkreis zu gewinnen, würde er wohl
selbst als große Überraschung ansehen.
Dafür hat er diesmal den besten
Listenplatz seiner Karriere: „Aber bei dem
Wahlergebnis von vor vier Jahren hätte der
nur für den ersten Nachrückerplatz
gereicht.“
Deshalb dürfte Hubert Hüppe nach dem 22.
September mit großer Spannung beobachten,
wer bei der Regierungsbildung das Arbeits-
und Sozialministerium bekommt und den
Beauftragen der Bundesregierung für die
Belange behinderter Menschen berufen darf:
„Wenn ich die Wahl zwischen diesem Amt und
einem Sitz im Bundestag hätte, würde ich
die Aufgabe des Beauftragten wählen.“
Bildunterschrift: Hubert Hüppe in der
Marina in Bergkamen-Rünthe. Der
CDU-Bundestags-kandidat lebt auf der
anderen Seite der Lippe in Werne.
Irgendwie
konservativ
Politisch
ist der Christdemokrat Hubert Hüppe gar
nicht so einfach einzuordnen. Wer seine
bioethischen Positionen betrachtet, und
sein Engagement als Lebensschützer, der
eine Legalisierung von Abtreibungen
weitgehend ablehnt, erkennt einen
Wertkonservativen in ihm.
Aber das ist auch immer eine Frage der
Definition: „Das ist ein sehr konservativ
sozialdemokratisch geprägter Wahlkreis“
sagt Hüppe, der in Werne lebt, über das
Wahlverhalten der Mehrheit in der Region,
die ihm wenig Chancen auf ein Direktmandat
lässt. „Die Leute hier, das sind keine
Revolutionäre.“
Fast schon revolutionär ist Hüppe
hingegen, wenn es um eines seiner
Lieblingsthemen geht – die Inklusion, also
die gleichberechtigte Teilhabe behinderter
Menschen am gesellschaftlichen Leben. Da
gehört er zu denen, denen es nicht schnell
genug damit gehen kann, die Schüler aus
dem bisher praktizierten Fördersystem in
die Regelschulen zu holen. Denjenigen, die
zu bedenken geben, ob nicht doch das eine
oder andere am Bestehenden bewahrenswert
ist, wirft er schon mal vor, lediglich die
alten Strukturen verteidigen zu wollen.
Bei anderen politischen Themen geht es
Hüppe manchmal zu schnell. „Im Wahlkampf
vor vier Jahren hat mich jeder danach
gefragt, was ich gegen die
Arbeitslosigkeit tun will“, meint er.
„Heute steht eher das Adoptionsrecht von
gleichgeschlechtlichen Paaren im
Mittelpunkt.“ Dabei hält Hüppe die
Vollbeschäftigung nach wie vor für ein
zentrales Ziel. Allein schon, um die
Sozialsysteme weiter finanzieren zu
können.
Da würde ihm dann sogar manch ein
sozialdemokratischer Stammwähler
zustimmen. Allerdings gibt es doch
erhebliche Unterschiede zum anderen
politischen Lager. Wenn es um einen
gesetzlichen Mindestlohn geht, gehört
Hüppe zu den Skeptikern. Auch er sei der
Meinung, dass ein Mensch von seiner Arbeit
leben können müsse, versichert er. Aber er
kenne auch Fälle, wo das kaum geht. Zum
Beispiel eine Frau mit Behinderung, die
zwei Kinder hat. Um das zu verdienen, was
sie an staatlicher Unterstützung bekommt,
bräuchte sie ein Bruttogehalt von 2300
Euro, rechnet Hüppe vor: „Das entspricht
einem Mindestlohn von 12 Euro. Den fordert
noch nicht einmal die Linkspartei.“
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