aus Hellweger Anzeiger: Mittwoch, 15. Februar
2012
Strengere Kontrollen an der Freibadkasse
Große Diskussion um Familienkarte
im Betriebsausschuss
Von Gabriele Hoffmann
HOLZWICKEDE • Zivildienstleistende
und Wehrpflichtige werden aus der Tarifstruktur des Freibades
gestrichen, weil es diese Personengruppe nach dem Aussetzen der
Wehrpflicht nicht mehr gibt. Darüber waren sich die Mitglieder des
Betriebsausschusses mit der Verwaltung und dem Bäderbetrieb einig.
Der Vorschlag, die Familienkarte abzuschaffen, löste eine heftige
Diskussion aus.
Den Argumenten des Bäderchefs vermochten nur die FDP und die
„jungeliste“ zu folgen. In erster Linie geht es um den Missbrauch, der
offensichtlich verstärkt mit der Familienkarte betrieben wird.
Stefan Petersmann berichtete dem Ausschuss von der Vortäuschung
falscher Familienverhältnisse, um an der Kasse verbilligten
Eintritt zu bekommen. Das führe immer häufiger zu
Diskussionen mit dem Personal. Stau in der Abfertigung insbesondere bei
starkem Andrang und unzufriedene Badegäste seien die Folge. Das
Kassenpersonal stehe zudem unter psychischem Druck.
Diese Verzögerungen führen laut Petersmann zu einem
größeren Imageschaden, als einige Fraktionsmitglieder in der
Diskussion durch die Abschaffung der Acht-Euro-Familientageskarte
befürchteten.
Die zusätzlichen Erlöse durch die Abschaffung dieser
Vergünstigung (der Familienpass der Gemeindeverwaltung wird
weiterhin anerkannt) seien nicht der alleinige Grund für den
Verwaltungsvorschlag, sprang Beigeordneter Heribert Schönauer
Petersmann zur Seite. Es gehe auch um einfache Tarifstrukturen. „Stress
an der Kasse können wir uns nicht leisten.“ Deshalb sollte im
Interesse der anderen Badegäste auf diese Karte verzichtet werden.
Schönauer geht es außerdem um das Mitarbeiter-Team im Bad,
das die Diskussionen mit „renitenten Besuchern“ aushalten muss.
Ohne Familienkarte würde das Bad nur wenige Einnahmen mehr haben,
aber immerhin ist der Bäderbetrieb im Haushaltssicherungskonzept
angehalten, den jährlichen Verlustausgleich durch die Gemeinde zu
reduzieren, 2012 um 75000 Euro.
Die Fraktionsvertreter erkannten das Problem mit der Umsetzung der
Karte, sahen es aber als nicht so gravierend an, weil „nur an wenigen
Tagen Hochbetrieb“ herrsche. „Es gibt keine Chance sich gegen diesen
Betrug zu wehren“, meinte Ausschussvorsitzender Wilfried Brinkmann
(Bürgerblock). „Wir treffen die Falschen“, sagte SPD-Mitglied
Horst Adelt und schlug die Einführung von Bescheinigungen vor,
damit sich Familien an der Kasse ausweisen können. CDU-Ratsherr
Willy Dorna meinte, es sei Sache der Verwaltung, Vorschläge zur
Handhabung der Karte zu machen. Nicht nur Barbara Schriek (BBL) warnte
vor dem Imageverlust für die Gemeinde. Christiane Wollny
(Grüne) forderte Lösungen gegen die Gaunerei, wollte die
Familienkarte aber nicht antasten.
Nur Thorsten Ringholt („jungeliste“) und Fritz Bernhardt (FDP)
unterstützten Stefan Petersmann. Ringholt erkannte Handlungsbedarf
und forderte strikte Regelungen. Vor allem Bernhardt, bis zu seiner
Pensionierung selbst Bäderchef, konnte die Schilderungen seines
Nachfolgers nachvollziehen. Zwar weiß er, dass ein Badetag
für Familien teuer ist, „aber wenn wir die Karte beibehalten,
leisten wir Betrügereien Vorschub.“ In Bernhardts Zeit bei der
Wasserversorgung wurde die Familienkarte eingeführt. Damals gab es
den Familienpass noch nicht. Im Ausschuss sagte er mit Blick auf die
Problematik: „Mir tut die Einführung heute leid.“
Eine Ausschussmehrheit schmetterte nach langer Diskussion den
Verwaltungsvorschlag ab. Die Folge werden strengere Kontrollen an der
Freibadkasse sein. Familien müssen damit rechnen, nach
Ausweispapieren – auch für die Kinder – gefragt zu werden. Das
kündigte Stefan Petersmann gestern auf Anfrage schon an.
Bildunterschrift:
Lange Schlangen an der Freibadkasse sind gut fürs Geschäft
und bedeuten volle Liegewiesen. Kommt es aber am Anfang der Kasse zu
unliebsamen Diskussionen über Eintrittspreise, macht sich am Ende
Unmut unter den Wartenden breit.
Bildunterschrift:
Der Badespaß für Kinder unter sechs Jahren ist kostenlos,
die Ferienkarte kostet zehn Euro, Erwachsene zahlen normal vier, Kinder
und Jugendliche 2,50 Euro.
Kommentar
Familien als Imagefaktor
Familienfreundlich
– das will in Zeiten des demografischen Wandels jeder sein. Familien
bedeuten Kinder und Kinder sind die Zukunft. Viele Kommunen
fürchten um ihre Zukunft, wenn innerhalb der Stadtmauern nicht
mehr genügend Kinder wohnen.
Doch was bedeutet familienfreundlich in Zeiten leerer öffentlicher
Kassen? Muss da wirklich um jeden Cent, um jeden Euro gefeilscht werden
oder kann/muss auch Familien zugemutet werden, ein paar Euro mehr zu
zahlen?
Dass der Bäderbetrieb die Familienkarte aus überwiegend
praktischen Gründen abschaffen will, löste im
Betriebsausschuss eine schier endlose Diskussion aus, die sich
letztlich doch nur im Kreis drehte.
CDU, SPD, Grüne und Bürgerblock geht es um das Image der
Gemeinde. Holzwickede schreibt sich die Familienfreundlichkeit als
Aushängeschild und Werbung auf ihre Fahnen. Dass dieses Attribut
leidet, nur weil die nicht unproblematische Familienkarte abgeschafft
wird, ist kaum anzunehmen. Holzwickede bietet noch sehr viele Beispiele
für Familienfreundlichkeit. Dazu zählt auch der Familienpass.
Diskussionen wie diese im Ausschuss aber vermitteln den Eindruck, dass
manchen Parteipolitikern ihr eigenes Image mehr wert ist als der Mut,
klare Worte zu sprechen. Vor dem Hintergrund von Millionenschulden
einerseits und in diesem Fall auch noch handfestem Ärger mit
Kunden/Familien an der Freibadkasse sind ehrliche Worte angebracht.
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Gabriele Hoffmann
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