aus Hellweger Anzeiger: Dienstag, 08. März
2011
Bürger
und Politiker sind oft wie die Königskinder
Stammtische,
öffentliche Sitzungen und Infostände sollen
Kontakte fördern
Von Gabriele Hoffmann
HOLZWICKEDE • Bürgerbeteiligung
ist ein Zauberwort, das Politikerinnen und Politiker gerne benutzen, um
zu zeigenwie ernst sie das Wahlvolk nehmen. Doch die
Politikverdrossenheit wird immer größer. Die Parteien suchen
nach neuen Wegen, auf denen sie die Bürgerinnen und Bürger
erreichen können.
„Patentlösungen dafür sind schwierig“, beklagt FDP-Parteichef
Fritz Bernhardt.
Manche Fraktionen wie die Grünen machen ihre Sitzungen
öffentlich, doch auch dort ist der Ansturm von Interessierten
schwach.
Die CDU führt jetzt Bürgerstammtische ein. Das
Unverständnis der Bevölkerung in zentralen lokalen
Angelegenheiten wie z. B. Fertigstellung und Kosten der
Carolinebrücke, Aufarbeitung der Ratskeller-Affäre oder Sinn
und Zweck der Ostumgehung erfordert aufklärende Antworten.
Deshalb fordert CDU-Parteichef Frank Lausmann: „Politik und Verwaltung
müssen Entscheidungsprozesse so transparent wie möglich
machen, Beteiligte von Anfang an einbinden und über
Veränderungen unverzüglich informieren, um
Politikverdrossenheit nachhaltig zu vermeiden.“
Die CDU will künftig in regelmäßigen Abständen
Bürgerstammtische anbieten, in denen unter dem Motto „Jetzt rede
ich“ Bürger die Möglichkeit erhalten, kommunalpolitische
Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Auftakt dazu ist am Sonntag, 27.
März ab 11 Uhr in der Gaststätte „Hoppy´s Treff“.
Die Bündnisgrünen haben vor einiger Zeit versucht, ihre
Fraktionssitzungen als öffentliches Forum zu etablieren. Doch die
Resonanz war gering, wenn man von zwei neuen Mitgliedern absieht, die
so den Weg in die Partei gefunden haben.
„Wir müssen auf die Bürger zugehen“, meint
Grünen-Fraktionsvorsitzender Friedhelm Klemp. Draußen ist
seiner Meinung nach die Hemmschwelle kleiner. Deshalb wollen sich die
Umweltpolitiker ab Mai regelmäßig alle vier Wochen mit
Ständen auf der Straße präsentieren. Und das auch in
den Ortsteilen. Und zu Zeiten, in denen auch Berufstätige kommen
können: samstagvormittags und spätnachmittags. Denn für
Klemp steht fest: „Wir müssen die Bürger viel stärker
einbeziehen.“
Die Fraktionssitzungen der Grünen sind auch weiterhin
öffentlich.
Das Projekt Stammtisch gab es bei der FDP in der Vergangenheit auch
schon mal. Doch die sind mangels Beteiligung häufig ausgefallen.
Bei öffentlichen Fraktionssitzungen sieht Fritz Bernhardt
möglicherweise juristische Probleme. Schließlich geht es
dabei auch um Angelegenheiten aus nicht öffentlichen Beratungen
der Fachausschüsse. Für die Parteimitglieder sind die
Fraktionssitzungen offen. „Wenn wir von Bürger angesprochen
werden, laden wir sie gezielt ein und öffnen uns zu bestimmten
Themen dann auch nach außen“, erklärt Bernhardt. Er
hält es für besser, durch gezieltes Aufgreifen von Themen mit
den Bürgern im Gespräch zu bleiben.
An den früheren Bürgergesprächen im SPD-Parteibüro
war das Interesse eher gering. Fraktionssitzungen der Sozialdemokraten
sind nicht grundsätzlich öffentlich, aber bei besonderem
Interesse lädt die SPD dazu ein. So ein Anlass könnte
für den Fraktionsvorsitzenden Michael Klimziak der geplante Besuch
von Schulforscher Ernst Rösner sein. Ansonsten will auch die SPD
den Menschen draußen begegnen mit Ständen und zu Ostern mit
einer Ostereiersuchaktion im Emscherpark.
Der Vorsitzende der „jungeliste“, Lars Berger, sieht sich und alle
Parteimitglieder als die wichtigsten Anlaufstellen für die
Bürgerinnen und Bürger. „Bei Bedarf sind unserer
Fraktionssitzungen auch öffentlich. Nicht öffentliche Themen
werden dann hintenangestellt.“
Der „kurze Draht“ zu den Mitgliedern ist auch für Thomas Wolter,
Vorsitzender des Unabhängigen Bürgerblocks wichtig. Er ist
sicher, dass aus der Bürgerschaft viele gute Ideen kommen, denn
sie Leute seien sensibler geworden für Themen wie zum Beispiel die
Carolinebrücke. „Viele Bürger haben uns dazu angesprochen.“
Der Bürgerblock öffnet seine Fraktionssitzungen für
engagierte Bürger.
Bildunterschrift
unter einem Foto einer Versammlung im Sitzungssaal: Es wird immer
schwerer, die Bürgerinnen und Bürger für die Politik zu
interessieren. Das wissen alle Fraktionen. Selten ist der Sitzungssaal
im Rathaus so voll. Nur bei persönlicher Betroffenheit werden
Angebote wie Bürgerversammlungen oder sonstige
Informationsangebote wahrgenommen.
Ein Stimmtisch
... ist sowohl
eine Gruppe von mehreren Personen, die sich regelmäßig in
einem Lokal trifft, als auch der (meist größere und oft
runde) Tisch, um den sich diese Gruppe versammelt. Stammtische sind
nicht organisierte Treffen und daher nur ein freiwilliger
Zusammenschluss von Teilnehmern. Der Tisch wird traditionell durch ein
mehr oder weniger aufwendig geformtes Schild gekennzeichnet und ist
damit für die Stammtischrunde reserviert, die sich in
regelmäßigen Abständen dort trifft. Im Mittelpunkt
einer solchen Stammtischrunde stehen das gesellige Zusammensein,
Kartenspiel und oft auch politische oder philosophische Diskussionen.
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