aus Hellweger Anzeiger: Dienstag, 22.
März 2011
„Ein
Mahnmal für Steuerverschwendung“
Caroline-Brücke:
Informationspolitik der Verwaltung wird heftig
kritisiert
Rother räumt Fehler ein – Bezirksregierung prüft
Kostensteigerung
Von Kevin Kohues
HOLZWICKEDE • Die
Fußgängerbrücke an der Neuen Caroline wird zum
Politikum. Die Parteien fühlen sich über die Kostenexplosion
von der Verwaltung schlecht und vor allem viel zu spät informiert.
Die Bezirksregierung will die Kostensteigerung gründlich
prüfen. Und der Bürgermeister räumt Fehler ein.
Ob tatsächlich 70 Prozent der Brückenkosten gefördert
werden, ist noch nicht sicher. Wie berichtet, sind die Kosten von
ursprünglich 833000 Euro über 1,7 Millionen Euro auf drei
Millionen Euro in die Höhe geschnellt. Über den
Förderantrag will die Bezirksregierung
in Arnsberg erst
entscheiden, wenn die Gemeinde eine detaillierte Auflistung der Kosten
und die Gründe für deren Explosion darlegt. „Das ist kein
alltäglicher Vorgang, wir müssen uns intensiv damit
auseinandersetzen“, erklärt Christoph Söbbeler,
Pressesprecher der Bezirksregierung. Danach sei auch dem
Landesbauministerium Bericht zu erstatten, erst dann könne die
Entscheidung über die Höhe der Förderung getroffen
werden.
Bürgermeister
Jenz Rother zeigt sich weiter zuversichtlich, die
70-prozentige Förderung erhalten zu können. Die
Bezirksregierung wolle eine Auflistung der Kosten für das gesamte
Baugebiet Caroline, bei der Brücke sehe sie die geringsten
Begründungsprobleme. Die Erläuterung werde mit
Abteilungsleiter Ferdinand Aßhoff von der Bezirksregierung
abgestimmt und danach werde in Düsseldorf auch mit
Unterstützung der SPD-Landespolitiker alles getan, um die
gewünschte Förderung zu bekommen.
Unterdessen herrscht in den Parteien großer Unmut über die
Informationspolitik der Verwaltung. FDP-Fraktionschef
Jochen Hake ist
vor allem der Umstand, dass die Gemeinde bereits im August 2010
Fördermittel für Gesamtkosten von drei Millionen Euro
beantragte, sauer aufgestoßen. „Ich bin schockiert, dass die
Verwaltung trotz der Erfahrungen mit dem Ratskeller immer noch nicht
erkannt hat, dass der Informationsfluss nachhaltig verbessert werden
muss“, so Hake. Da die Verwaltung es nicht von sich aus tue, wolle die
FDP künftig aktiv mehr Informationen einfordern. „Wir werden in
laufenden Dingen öfter Zwischenberichte anfordern. Es drängt
sich der Eindruck auf, dass seitens der Verwaltung Informationen
zurückbehalten werden“, so Hake weiter.
Jenz Rother gestand gestern auf HA-Anfrage ein, die Verwaltung
hätte „etwas eher informieren müssen“. Er verwies aber
darauf, dass die Zahlen damals (im August 2010; d. Red.) noch nicht
gesichert gewesen seien. Zudem seien 416000 Euro an Nachforderungen ja
noch immer strittig.
Auch die CDU fühlt sich
von der Verwaltung unzureichend
informiert. „Wir wollen eine rigorose Aufklärung, eine
detaillierte Auflistung der Kosten und wir wollen auch wissen, wann sie
bekannt waren“, sagt Parteichef Frank
Lausmann. Das
Kommunikationsproblem zwischen Treuhänder, Verwaltung und Politik
sei eklatant, der Fall Ratskeller offenbar kein Einzelfall. Um dem
Bürger gegenüber eine größtmögliche
Transparenz zu schaffen, lädt die Ortsunion für Sonntag zu
einem Stammtisch ein (siehe Info-Kasten). Lausmann steht dazu, dass
seine Partei von Anfang für den Bau der Brücke war –
allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen.
Das unterstreicht Michael Klimziak
von der SPD. „Wir stehen nach
wie
vor zu der Brücke, begreifen sie auch als Teil eines sicheren
Schulweges“, so Klimziak. Mit dem Wissen von heute hätte aber
gewiss keine Fraktion einem Bau zugestimmt, so der SPD-Chef weiter.
„Diese Steigerung ist für uns auch nicht vermittelbar, die
Erklärungen im Ausschuss blieben nebulös“, kritisiert
Klimziak.
Die jungeliste
begrüßt die Prüfung durch die
Bezirksregierung. „Vielleicht trägt dies dazu bei, Missstände
aufzudecken“, sagt ihr Vorsitzender Lars
Berger. Dass die Gemeinde
schon im August gewusst habe, wohin sich die Kosten entwickeln, erwecke
den Eindruck der Verschleierung.
Wilfried Brinkmann
vom Bürgerblock geht
verbal noch einen Schritt
weiter, spricht von einer „Riesen-Sauerei“. Die Verwaltung sei ihrer
Informationspflicht nicht nachgekommen, habe die Fakten wider besseres
Wissen nicht publik gemacht. Zu Brinkmanns Bedauern sei das Thema nicht
mehr sachlich zu diskutieren: „Wo man hin kommt, wird man von den
Bürgern angefeindet. Diese Kostenexplosion ist einfach niemandem
zu vermitteln.“
Die Grünen betonen, dass
sie gemeinsam mit FDP und jungeliste
gegen den Bau gewesen seien. Vor allem die Folgekosten für die
Fahrstühle hätten seine Partei von Anfang an abgeschreckt,
erklärt Fraktionschef Friedhelm
Klemp. Bezüglich der
Informationspolitik sieht er auch die Politik in der Verantwortung:
„Wir hätten mehr Informationen anfordern müssen.“ Er gehe
nicht davon aus, dass das Land einer 70-prozentigen Förderung
zustimmen wird. „Ich muss vorher wissen, welche Förderung ich
erwarten kann. Da wurde nicht immer ehrlich gearbeitet“, wirft Klemp
der Gemeinde vor.
Die Brücke selbst, so schön sie auch aussehen mag, kann einem
da fast schon leid tun. Für Friedhelm Klemp, und wohl nicht nur
für ihn, wird sie immer ein „Mahnmal für Steuerverschwendung“
bleiben. • KOMMENTAR
Bildunterschrift
unter einen Foto der Brücke: Das imposante Bauwerk, aber auch ein
"Mahnmal für Steuerverschwendung": An der Carolinebrücke
scheiden sich die Geister. Die Kostenexplosion auf bis zu drei
Millionen Euro sorgt in der Politik und bei den Bürgern für
großen Ärger.
Bildunterschrift unter einer Skizze vom Quartiersplatz: Wenn die
Carolinebrücke, voraussichtlich im Mai, eingeweiht wird, soll auch
der neue Quartiersplatz fertig sein. Auf der Nordseite, direkt am
Fuße der Brücke, ist die Installation einer Lore, einer
Seilscheibe und eines Meilensteins auf einem Hochbeet in Erinnerung an
die Zeche Caroline geplant. Zudem wird der 1200 Quadratmeter
große Platz gepflastert, Die Neugestaltung kostet insgesamt 328
000 Euro (Pflasterung: 170 000 Euro, Hochbeet 37 000 Euro,
Ingenieurskosten 31 000 Euro).
Stammtisch
für Bürger
Die CDU-Ortsunion lädt alle Holzwickeder für den kommenden
Sonntag, 27. März, ab 11 Uhr zum Stammtisch in Hoppy‘s Treff an
der Nordstraße ein. Dabei wird es auch einen Imbiss geben. „Wir
wollen mit den Bürgern in Dialog treten und ihnen die
Möglichkeit geben, ihre Meinung zur Carolinebrücke und
anderen Themen zu artikulieren“, erklärt CDU-Chef Frank Lausmann.
KOMMENTAR
Nicht viel
dazugelernt
Die Carolinebrücke, so gut gemeint
und ambitioniert sie einst war, ist auf dem besten Weg, für
Verwaltung und Politik zum Fiasko zu werden. Zu einem Symbol für
ein Fass ohne Boden, für ein gigantisches schwarzes Loch, das
immer mehr Geld auffrisst. Drei Millionen statt ursprünglich
833000 Euro anno 2005.
Geld, für das unabhängig von der Förderung durch das
Land, indirekt jeder Steuerzahler aufkommen muss. Das treibt vielen
Bürgern den Zorn ins Gesicht. Sie verstehen nicht, warum ein
veränderter Baugrund und gestiegene Stahlpreise die Kosten
für die Brücke so haben explodieren lassen. Verübeln
kann es ihnen keiner. Zumal die Bürger mit ihrem
Unverständnis nicht allein dastehen. Auch die Politik wurde kalt
erwischt, reagiert nun wütend und auch ein bisschen ratlos.
Die Verwaltung muss sich nicht einmal ein Jahr nach der
Ratskeller-Affäre den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die
eigenen Ankündigungen von mehr Transparenz und besserer
Kommunikation nicht umgesetzt hat. Viel eher hätten nicht nur die
kommunalen Politiker, sondern auch die Öffentlichkeit von den
Problemen rund um den Brückenbau informiert werden müssen.
Der Fall Carolinebrücke zeigt, dass die Zusammenarbeit im Rathaus
nach wie vor hakt. Woran das liegen mag, darüber kann nur
spekuliert werden.
Fest steht aber: Das Vertrauen der Bürger in ihre
Gemeindeverwaltung ist seit dem Tiefschlag Ratskeller nicht gewachsen.
Es ist noch kleiner geworden. Nur der Druck auf Bürgermeister Jenz
Rother wächst. • Kevin Kohues
|