aus Hellweger Anzeiger: Montag, 27. Juni 2011
Der
Norden ist näher gerückt
Fußgängerbrücke
eröffnet – Protest und Zustimmung
Gläserne Aufzüge haben Stresstest nicht bestanden
Von Gabriele Hoffmann
HOLZWICKEDE • Es
waren keine Freudentränen, die am Samstagvormittag aus grauen
Regenwolken auf Holzwickede fielen. So wie das Wetter war auch die
Stimmung getrübt als Bürgermeister Jenz Rother, von einzelnen
Pfiffen begleitet, das Band
an der untersten Treppenstufe der Fußgängerbrücke
durchschnitt und das umstrittene Bauwerk – die neue Verbindung zwischen
dem Norden und der Gemeindemitte – freigab.
Der nördliche Quartiersplatz am Brückenfuß war gut
gefüllt. Über 200 Schaulustige, Kommunalpolitiker von SPD und
CDU sowie Vertreter der Verwaltung und zwei kleine Grüppchen von
Demonstranten hatten sich versammelt. Die Ansprache des
Bürgermeisters („heute ist ein denkwürdiger Tag für
Holzwickede“) wurde teils mit zustimmendem Nicken, aber auch mit
energischem Kopfschütteln begleitet.
Für die Kostenexplosion bei der Brücke hat niemand
Verständnis. Und sie ist Wasser auf die Mühlen der
Brückengegner. Die folgenschwere Entscheidung von CDU, SPD und
Bürgerblock vor sechs Jahren rief damals nur schwachen Protest
einiger Bürger sowie den Bund der Steuerzahler auf den Plan. Bis
zum Ende der Baumaßnahme steigerten sich nicht nur die Kosten,
sondern auch die offene Kritik in der Bevölkerung.
So wie das Rathaus versäumt hat, Politik und Öffentlichkeit
rechtzeitig über die Entwicklung zu informieren, so wenig haben
die gewählten Volksvertreter rechtzeitig nachgehakt. Die
mittlerweile bekannten Gründe für die Kostenexplosion sprach
Rother gestern nur kurz an, stellte den verbindenden Charakter der
Brücke in den Mittelpunkt.
Auf den ursprünglichen „Entscheidungsfindungspreis“ mussten
Ingenieurkosten, gestiegene Mehrwertsteuern und diverse Mehrkosten
für zusätzliche Leistungen, unerwartete
Gründungsarbeiten und Forderungen der Bahn draufgesattelt werden.
Unter der Endabrechnung werden über 3 Millionen Euro stehen. Noch
immer nicht geklärt ist die Höhe der Landesförderung.
Nichtsdestotrotz waren Samstag viele positive Kommentare zu hören.
„Mir gefällt´s, in ein paar Jahren ist die Kritik
vergessen“, meinte ein Großvater, der mit seinen Enkelkindern zu
den ersten Brückengängern zählte. Die „schöne
Aussicht“ aus 8,50 m Höhe wurde von anderen bewundert. Nicht nur
Kinderwagen und Rollatoren wurden in die Aufzüge geschoben. Selbst
Fahrradfahrer nutzten die Abkürzung über die Gleise. In den
Fahrstühlen ertönt Musik. Blinde hören akustische
Signale und Ansagen. Dass die Aufzüge den Stresstest nicht
bestanden und stehen blieben, führte der Aufzugbauer auf die
starke Belastung zurück. Nonstop waren die gläsernen Kabinen
unterwegs. Doch auch am Sonntag, als nur noch vereinzelte
Brückentouristen das imposante Bauwerk besichtigten, war wieder
ein Techniker gefragt.
Die Grünen protestierten am Samstag mit einem Transparent und
Trillerpfeifen gegen die Verschwendung von Steuergeldern. Dietmar Appel
überreichten Jenz Rother ein Brückenbuch mit
Meinungsäußerungen von Bürgern. Anwohner der
Buchholzstraße nutzen die Gelegenheit, um gegen die
Schließung ihres Spielplatzes zu demonstrieren und Unterschriften
gegen die allgemeine Schließung von Spielplätzen zu sammeln.
Die Haushaltsprobleme dürften nicht auf dem Rücken der Kinder
ausgetragen werden, sagte ein Vater. Brückengegner FDP und
„jungeliste“ blieben der Veranstaltung fern. Der Bürgerblock,
Befürworter der Brücke, begründete seine Absage mit der
Kostenentwicklung.
Bildunterschriften:
• Bürgermeister Jenz Rother und Beigeordneter Heribert
Schönauer (r.) gaben die Brücke frei.
• Grüner Protest gegen Steuerverschwendung.
• Elternprotest gegen Spielplatzschließungen.
• Gute
Laune im Seniorenhaus beim Tag der offenen Tür aus Freude
über die neue Brücke. Endlich ist der kurze weg ins
Ortszentrum frei. Das wurde groß gefeiert, Info-Stände und
Bewirtung kamen gut an.
• Die gläsernen Aufzüge waren die attraktion, den Stresstest
aber haben sie nicht bestanden.
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