aus Westfälische Rundschau: Samstag, 04.
September 2010
Externer Sachverstand
Rother
holt sich Hilfe ins Rathaus
von Lars
Reckermann
Holzwickede. Es wird einen neuen 1. Beigeordneten im
Rathaus geben.
Bürgermeister Jenz Rother (SPD) will die wichtige Stabsstelle, die
seit dem Weggang von Max-Otto Kohl vakant ist, extern besetzen. Die
Mehrheit der Ratsvertreter begrüßte gestern diese
Entscheidung.
Rother macht eine Kehrtwende um 180 Grad. „In mir ist die
Überzeugung gewachsen, dass die Gemeinde für die anstehenden
Aufgaben externen Sachverstand benötigt“, sagte er. Die späte
Einsicht wundert manchen Lokalpolitiker, schließlich war Rother
bis vor kurzem noch fest davon überzeugt, das „Schiff Rathaus“
alleine steuern zu können. Jetzt wünscht er sich auf der
Brücke einen 1. Offizier, der ihm „auch einmal den Rücken
freihält.“ Im Rathaus habe man „eigene Leute“ angesprochen, sei
aber nicht fündig geworden.
Im Begründungstext für den Rat liest sich das so: „In
Anbetracht der schwierigen finanziellen Situation der Gemeinde
Holzwickede und der Tatsache, dass zum 30. April 2011 auch der
Fachbereichsleiter Zentrale Dienste [Karl-Heinz Brock, Anm.d.Red.] in
die Freizeitphase der Altersteilzeit tritt, hat sich eine
gegenüber 2008 veränderte Situation ergeben. Es erscheint
nunmehr erforderlich, die Umstrukturierung der Verwaltung mit einer
Verstärkung im fachlichen Bereich zu begleiten.“
Der für acht Jahre zu wählende Beigeordnete soll sich
insbesondere um die Haushalts- und Finanzwirtschaft“ der klammen
Gemeinde kümmern. Die Stelle ist mit der Besoldungsgruppe A15
ausgeschrieben, je nach Bewerber oder Bewerberin kommen auf den
Haushalt jährlich etwa
100 000 bis 120 000 Euro zu. Bei einer
Wiederwahl wäre noch einmal ein Gehaltssprung auf A16 möglich.
Der neue Mann auf der Kommandobrücke wird qua Amt in die
wichtigsten Entscheidungen der Gemeinde eingebunden. Deshalb will
Rother bis zur Ernennung eines 1. Beigeordneten auch die
interkommunalen Gespräche mit der Stadt Unna über die Zukunft
der Wasserverorgung aussetzen.
Rother informierte Donnerstagabend mit knappen Worten die
Fraktionsvorsitzenden. Seine Parteifreunde von der SPD hatte er
früher informiert.
Die Besetzung der 1.-Beigeordneten-Stelle soll am 16. September im
Hauptausschuss und am 30. September im Gemeinderat beraten werden. Am
9. Oktober könnte dann die Ausschreibung erfolgen. Bis zum 9.
Dezember soll ein Bewerber feststehen, der am 16. Dezember vom Rat der
Gemeinde Holzwickede gewählt werden soll.
Bildunterschrift
unter einem Foto des Rathauses: Bürgermeister
Jenz Rother sucht für die Verwaltung wieder
einen Beigeordneten.
Stellungnahme der Fraktionsvorsitzenden:
Holzwickede. Bis auf die FDP und die
Grünen begrüßen alle Ratsfraktionen den Entschluss des
Bürgermeisters, die Stelle des 1. Beigeordneten auszuschreiben.
Gleichwohl: die Art und Weise, wie sie in die Entscheidung eingebunden
sind, stößt einigen auf.
Die Entscheidung des Bürgermeisters, sich externen Sachverstand
einzukaufen, begrüßt der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Klimziak. Rother hatte seine
Parteigenossen früher als die anderen Parteien informiert. „Wir
tragen die Entscheidung mit und werden uns genau die Kandidaten
anschauen“, sagt Klimziak.
"Wir haben immer
einen 1. Beigeordneten gefordert“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Rolf Kersting. Somit würde der
Bürgermeister bei der Union offene Türen einrennen. Wie
wichtig Finanz-Sachverstand sei, habe der Fall „Ratskeller“ deutlich
gemacht. Der Ratskeller-Wirt hatte über 100 000 Euro
Außenstände angehäuft, die die Gemeinde nicht
eingefordert hatte. Kersting betont, nur der Beste der Bewerber
dürfte Beigeordneter werden, „niemand darf wegen seines
Parteibuches gewählt werden.“
„Ohne schlüssiges Personalkonzept stimmen wir doch nicht der
Stelle eines 1. Beigeordneten zu“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Jochen Hake. Er fühlt sich
überrumpelt von der plötzlichen Vorlage. „Wir haben noch
massiven Beratungsbedarf zu diesem Thema.“
„Stinksauer“ über die Vorgehensweise des Bürgermeisters ist Heinrich Schlinkmann, Fraktionschef
des Bürgerblocks. Zwar hatte seine Partei immer einen 1.
Beigeordneten gefordert. Schlinkmann glaubt aber nicht, dass Rother
plötzlich einsichtig geworden ist. „Da gibt es irgendwo einen
Versorgungsfall unter Parteifreunden, der in Holzwickede eingesetzt
werden soll“, glaubt Schlinkmann. Er ist überzeugt, dass es
längst einen „heißen Kandidaten“ gibt.
„Wir erwarten von den Leuten an der Verwaltungsspitze, die gut bezahlt
werden, dass sie auch entsprechend gut arbeiten – dann bräuchten
wir keinen Beigeordneten“, sagt Friedhelm
Klemp, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Die Stelle sei
kein Qualitätsgarant. Vor zwei Jahren sei selbst noch mit einem
Beigeordneten einiges Schief gelaufen im Rathaus. „In einer Zeit, wo
wir jeden 100 Euro Schein umdrehen müssen, sind bis zu 150 000
Euro im Jahr für die Stelle nicht drin.“
„Das Rathaus benötigt einen 1. Beigeordneten“, unterstreicht Lars Berger von der Jungen Liste. Er
begrüßt die späte Einsicht“ von Rother.
Kommentar von
Lars Reckermann
Höllisch
Der Pleite-Fall der Rathaus-Gastronomie
sorgte in der Emschergemeinde für einen heißen Sommer. Jetzt
steht der Gemeinde ein heißer Herbst bevor. Es geht um die Stelle
des 1. Beigeordneten, die Bürgermeister Jenz Rother nun doch
besetzen will, nachdem er sich vehement gegen einen zweiten Mann auf
Augenhöhe gewehrt hatte.
Vielleicht ist Rother, der in den vergangenen Monaten 28 Kilogramm
abgenommen hat, ja inzwischen auch innerlich geläutert. Er kann
die vor ihm liegenden Aufgaben nicht alleine stemmen. Er benötigt
dringend externen Sachverstand. Viel zu lange hat die Verwaltung im
eigenen Saft geschmort. Das Krisenmanagement in Sachen Ratskeller war,
gelinde gesagt, eine Katastrophe.
Rother muss jetzt höllisch aufpassen. Es darf nicht der leiseste
Verdacht aufkommen, bei der Besetzung der Stelle sei Kungelei und
Vetternwirtschaft im Spiel. Allein schon um das Amt nicht zu
beschädigen, braucht es deshalb eine breite Ratsmehrheit für
den Kandidaten oder die Kandidatin.
Noch einer wird genau hinschauen, wer da in die Schaltzentrale im
Rathaus einzieht: Michael Klimziak. Rothers Kronprinz will 2015
Bürgermeister von Holzwickede werden. Der SPD-Fraktionschef
lässt sich vom 1. Beigeordneten nicht die Butter vom Brot nehmen.
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