aus Westfälische Rundschau: Donnerstag, 13.
Mai 2010
Bürgerblock: "Möglicherweise
auch Untreue im Spiel" -
Grüne kritisieren Vorgehen des BBL im Ratskeller-Skandal
Weitere Ermittlungen drohen
Von Peter Gräber
Holzwickede.
Der Bürgerblock hält es nicht für ausgeschlossen, dass
sich im Falle einer Strafanzeige auch die Staatsanwaltschaft noch mit
den Hintergründen des Ratskeller-Skandals beschäftigen
wird. „Möglicherweise geht es ja hier um Untreue”, meint
Heinrich
Schlinkmann. „Dann werden noch ganz andere Ermittlungen geführt.”
So habe die Staatsanwaltschaft Dortmund unlängst im Zusammenhang
mit einer Strafanzeige gegen den Dortmunder Oberbürgermeister als
eine Voraussetzung für den Straftatbestand der Untreue genannt,
dass jemand dazu „bewusst pflichtwidriges Verhalten an den Tag legen”
müsse. „Wenn, wie beim Ratskeller, jemand jahrelang die Hände
in den Schoß legt und zusieht, wie Forderungen immer weiter
steigen und nicht mehr einzutreiben sind, kann man das schon als
bewusst pflichtwidrig bezeichnen”, glaubt Schlinkmann. „Für den
Bürgerblock stellt sich da auch die Frage, ob es sich nur um
einen Einzelfall handelt.”
Überrascht von der Kritik des Bürgerblocks zeigten sich
gestern die Grünen. Friedhelm Klemp: „Auch wir sind an einer
sachlichen Aufklärung interessiert.” Auch die Grünen meinen,
dass grob fahrlässig gehandelt und der Bürgermeister seiner
Verantwortung nicht gerecht geworden ist. „Aber alle Parteien haben
beschlossen, das Rechnungsprüfungsamt des Kreises mit der
Prüfung zu beauftragen und das Ergebnis abzuwarten. Das wollen wir
analysieren und Konsequenzen ziehen.”
Klemp erinnert daran, dass auch der Bürgerblock Ende Februar 2010
an einem Gespräch mit dem Bürgermeister und einem
Steuerberater teilgenommen hat. „Darin wurde ein Konzept vorgelegt, das
zum Ziel hatte, den Schaden für die Gemeinde zu reduzieren und den
Ratskeller-Wirt mit Auflagen weiter wirtschaften zu lassen”, so Klemp.
„Das ist bei Insolvenzen nicht unüblich. Dem hat auch der
Bürgerblock zugestimmt. Lediglich die CDU war dagegen.”
(siehe Kommentar)
INFO
Aufgabe des
Rechnungsprüfungsausschusses
• Hätte der Rechnungsprüfungsausschuss der Gemeinde die
Außenstände des Ratskellerwirtes erkennen müssen?
• Darauf gibt es
keine eindeutige Antwort. Nach der Gemeindeordnung hat ein
Rechnungsprüfungsausschuss lediglich die Jahresrechnung der
Gemeinde zu prüfen.
• Auch
Haushaltsexperten wie Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler meinen
deshalb, dass der Ausschuss im laufenden Alltagsgeschäft kaum
auffällige Außenstände der Kasse erkennen kann.
• Andererseits sei
die Gemeinde Holzwickede überschaubar, da hätte es durchaus
Hinweise auf die Außenstände im Ratskeller geben
können. Immerhin machen diese fast ein Drittel der
Gesamtforderungen der Gemeindekasse aus.
• Im Verdachtsfall
kann ein Rechungsprüfungsausschuss die Initiative jederzeit an
sich ziehen. „Die Belegprüfung ist eine klassische Aufgabe des
Rechnungsprüfungsausschusses”, erklärt Eberhard Kanski.
Kommentar
Die Kleinen hängt man...
von Peter
Gräber
Die Kleinen
hängt man, die Großen lässt man laufen. Das scheint
sich auch im Finanzskandal um den Ratskeller wieder einmal zu
bestätigen.
Nach Aktenlage sieht es tatsächlich danach aus, als ob
ausgerechnet der in der Verwaltungshierarchie am weitesten unten
stehende Mitarbeiter, der Kassenleiter, die Verantwortung für den
Finanzskandal Ratskeller tragen muss. Ein Mann, der sich nach allem,
was bekannt ist, sein ganzes langes Berufsleben untadelig verhalten
hat, bekommt nun aufgebürdet, was ihm seine Vorgesetzten
eingebrockt haben. Das zeichnet sich jetzt bereits ab. Bei der
Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt im Kreishaus wird
nichts anderes herauskommen. Denn auch dort werden nur Belege und Akten
geprüft, keine Verantwortlichkeiten für ein bestimmtes
Handeln oder Unterlassen.
Dabei besteht vermutlich das einzige Versäumnis des Kassenleiters
darin, dass er sich keine Aktennotiz angelegt hat, als er auf seine
Anfrage beim Chef („Was machen wir mit der Mahnung für Pino?”)
eine hinhaltende Antwort bekam.
Diese Rückversicherung wäre klug gewesen und könnte den
Sachverhalt nun erhellen. Um es deutlich zu sagen: Dass nun
ausgerechnet der kleinste Mitarbeiter aus der Kasse im Fokus steht,
liegt nicht an denen, die versuchen, Licht in die Vorgänge um den
Ratskeller zu bringen. Es liegt allein an seinen Vorgesetzten, die ihn
im Regen stehen lassen. Verantwortung zu übernehmen bedeutet
nämlich nicht, Lippenbekenntnisse abzugeben und gleichzeitig die
Schuld anderen aufzubürden. Es bedeutet eigene Fehler
einzugestehen, die Konsequenzen daraus zu ziehen und weniger
verantwortliche Untergebene zu entlasten. Dass dies bisher noch nicht
passiert ist, ist das eigentlich beschämende an dieser
unappetitlichen Geschichte.
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