aus Hellweger Anzeiger: Donnerstag, 27. Mai
2010
Schuldfrage
im Fall Ratskeller nicht geklärt
Prüfbericht prangert mangelnde
Kommunikation und
Organisationsfehler an
Von Gabriele
Hoffmann
HOLZWICKEDE • Aus
der Sicht des Landrats gibt es keinen Grund für
disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den Bürgermeister. Das
ist die gute Nachricht für Jenz Rother. Das Ergebnis der
Prüfung der Affäre Ratskeller bringt darüber hinaus
keine wirklich neuen Erkenntnisse.
Gestern stellten Jenz Rother und Personalchef Karl-Heinz Brock (zurzeit
Stellvertreter des Bürgermeisters im Rathaus) in einer
Pressekonferenz den Prüfbericht in Auszügen vor. Aus
Datenschützgründen, so die Begründung, wurde der Bericht
nicht in Gänze offengelegt. Gegen Datenschutzvorschriften wurde
bereits, so zitierte Rother den Bericht, durch die (vom
Bürgerblock) in der öffentlichen Diskussion genannten Namen
verstoßen.
Hier die wesentlichen Ergebnisse der von Rother selbst beantragten
Prüfung der Versäumnisse bei der Eintreibung der Schulden des
früheren Rathauswirtes: Es gibt keinen Alleinschuldigen. Die
Kommunikation zwischen den Fachbereichen III (Finanzen) und IV
(Liegenschaften) war mangelhaft. Es fehlt am
Zuständigkeitsbewusstsein. Zitat: „Es ist erkennbar, dass dem
Fachbereich IV keine Informationen über Pachtrückstände
bekannt waren.“ Der Bericht hat sich auch mit den Aufgaben des
Rechnungsprüfungsausschusses beschäftigt. Demnach habe dieser
seine gesetzlich vorgegebenen Möglichkeiten nicht
ausgeschöpft. Wobei sich die Frage ergeben hat, ob die
ehrenamtlichen Politiker, dazu überhaupt in der Lage sind.
Karl-Heinz Brock plädiert deshalb wieder für verstärkte
Aufsichtsprüfungen, wie sie früher durch das
Gemeindeprüfungsamt üblich waren.
Der Bericht habe klar ergeben, dass der Fall Ratskeller ein Einzelfall
war. Weitere Fälle seien geprüft worden, bei denen die
Gewerbesteuern korrekt eingezogen wurden. Dazu Jenz Rother: „Die
Verwaltung steht nicht Kopf.“
Schlussfolgerungen aus dem Bericht überlässt der Landrat dem
Holzwickeder Verwaltungschef. Dieser zieht aktuell keine personellen
Konsequenzen wie Umbesetzungen, kündigte aber ein neues
Personalkonzept für den 10. Juni an.
Da die innere Organisation der Gemeindeverwaltung stark in die Kritik
geraten ist, will Rother Kontrollfunktionen stärken. Dazu
gehört u.a. die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers bei den
Jahresabschlüssen, die Beauftragung einer fachkundigen Stelle mit
der regelmäßigen Überprüfung von
Zahlungsrückständen, Verbesserung der Kommunikation der FB
untereinander, Kopien von Pachtverträgen an die FB III und IV,
umgehende Meldungen über Rückstände an die
zuständigen Fachbereiche und ab 5000 Euro auch an den
Bürgermeister.
Bildunterschrift
unter einem Foto der Rathaustür: "Wir sprechen polnisch" - damals
mit den Gästen der Fußball-Weltmeisterschaft. Aber
untereinander haben Mitarbeiter der Verwaltung scheinbar in den
vergangenen Jahren zu wenig miteinander geredet.
Bildunterschrift
unter einem Bildausschnitt von der Vereidigung: Die dritte Amtszeit ist
für Bürgermeister Jenz Rother kein Sonntagsspaziergang.
Wenige Monate nach der Vereidigung weht ihm ein scharfer Wind ins
Gesicht.
Ohne Beweise
bleibt alles offen
Da es „keine
Beweise“ gibt (Landrat Michael Makiolla), war nicht mehr als ein
organisatorisches Versagen nachzuweisen. Warum im Fall des
Rathauswirtes und nur dort, die Pacht- und Steuerschulden (knapp 100000
€) nicht eingetrieben wurden, bleibt das große Rätsel. Zwei
Systemumstellungen führt Jenz Rother an, wohlwissend, dass dies
keine Rechtfertigung für die Klüngelei in seinem Hause ist.
Er bleibt dabei, bis 2009 nicht von den anhaltenden
Zahlungsschwierigkeiten (die letztlich zur Insolvenz und
Schließung der Gaststätte führten) gewusst und nach
abgelehnten Hilfsangeboten das weitere Verfahren nicht behindert zu
haben. Ehemalige verantwortliche Mitarbeiter wie Kämmerer Max-Otto
Kohl hätten bestätigt, nie mit ihm darüber geredet zu
haben. Auch die Befragungen der damals und heute verantwortlichen
Mitarbeiter haben, so Makiolla, keine weiteren Erkenntnisse gebracht.
Rother und Brock wollen die Wiederholung eines solchen Falls mit
stärkeren Kontrollen vermeiden. Den Schaden gering zuhalten, habe
jetzt Priorität. Brock geht davon aus, dass die
Eigenschadenversicherung auch bei grober Fahrlässigkeit zahlt. Ob
die Versicherung die Frage der Verantwortlichkeit selbst klären
will, ist offen. • ho-
Informationen
in den Köpfen
Fraktionen unzufrieden
Dass es keine
Antworten auf die Frage „wer und warum?“ gibt, kritisieren alle
Fraktionen. Für die CDU beweist der Fall, dass im Rathaus ein
Beigeordneter mit Finanzkompetenz fehlt. Dem Bürgermeister glaubt
Fraktionschef Rolf Kersting, erst spät von der Sache erfahren zu
haben („er lügt nicht“), aber „er hätte es wissen
müssen“, kritisiert Kersting den internen Informationsfluss.
Schlampige Arbeit ist für SPD-Fraktionschef Michael Klimziak klar
bewiesen, aber „mehr gibt die Aktenlage nicht her“. Er glaubt dem
Bürgermeister, erst seit 2009 informiert gewesen zu sein, aber der
„fade Beigeschmack“ bleibt. Für FDP-Fraktionschef Jochen Hake ist
der Bericht keine Hilfestellung. Er dokumentiere die Hilflosigkeit. „Es
müssen noch andere Informationen in den Köpfen da sein“,
glaubt er. Der Bürgerblock warte die Antworten auf seinen
Fragenkatalog ab, dann werde die Fraktion die weitere Vorgehensweise
beraten. Für Parteichef Wilfried Brinkmann ist der Bericht nur
eine wissenschaftliche Abhandlung. Auch die Grünen sind mit dem
Bericht nicht zufrieden. „Wir sind aufgefordert, künftig
stärker hinzuschauen“, ist die Konsequenz für
Fraktionsvorsitzenden Friedhelm Klemp. Die jetzt angekündigten
stärkeren Kontrollen sind für Klemp eine
Ohnmachtserklärung. Das sieht die „jungeliste“ ähnlich. „Was
der Bürgermeister jetzt einführt, ist eigentlich Standard“,
so Edda Röther. • ho-
KOMMENTAR
Aufklärung
bleibt auf der Strecke
Das war
vorauszusehen: Der Bericht der Kommunalaufsicht hat nicht zur
Aufklärung der Affäre Ratskeller beigetragen.
Warum gerade in diesem einen Fall so gravierende Fehler gemacht wurden,
konnten auch die Prüfer nicht klären.
Keine personifizierten Schuldzuweisungen, Schelte wegen Mängeln
bei der internen Information und Organisation sowie die
Bestätigung, dass disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen den
Bürgermeister nicht angesagt sind. Nichts wirklich Schlimmes also.
Trotzdem werden Einzelheiten aus dem Bericht unter dem Deckel gehalten.
Eine Entscheidung, die der Landrat dem Verwaltungschef überlassen
hat.
Das Ergebnis der Prüfung kann nicht zufriedenstellen, weder die
Politik noch die Verwaltung selbst. Die brennende Frage „wer und warum“
ist nicht beantwortet. Was bleibt ist ein bitterer Nachgeschmack, der
noch lange anhalten wird.
Ob die neuen Anweisungen die interne Organisation und Kommunikation
tatsächlich ankurbeln, wird sich zeigen. Das Problem im Rathaus
scheint tiefer zu wurzeln, als in der mangelnden
Gesprächsbereitschaft.
Möglicherweise fehlt dem Bürgermeister doch ein in
Verwaltungsdingen erfahrener und vor allem ein vertrauenswürdiger
Berater. Denn selbst innerhalb der Partei scheint er nicht mehr den
Rückhalt zu haben wie vor der Kommunalwahl. Die Genossen haben
sich jedenfalls in der Diskussion über den Fall Ratskeller
auffallend zurückgehalten. Als der Bürgerblock schwere
Vorwürfe gegen ihren Parteifreund geäußert hat, waren
es nicht die Altgenossen, sondern die Jusos, die dazu Stellung
bezogen. • Gabriele Hoffmann
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