aus Hellweger Anzeiger: Samstag, 12. Juni
2010
Schuldige
benannt, einige Fragen offen
Finanzausschuss beschließt
rückwirkende Prüfung
gemeindlicher Forderungen
„Zügige Umsetzung“ der Konsequenzen – Bürgerblock vermisst
Sanktionen
Von Kevin Kohues
HOLZWICKEDE • Die
Aufklärung des Ratskeller-Skandals steht vor dem Abschluss. In
einer nichtöffentlichen Sondersitzung des Haupt-, Finanz- und
Personaölausschusses (HFPA) benannte Bürgermeister Jenz
Rother am Donnerstagabned die Verantwortlichen, die Konsequenzen - und
räumte erneut auch seine persönliche Schuld ein.
Gestern informierte Rother gemeinsam mit Karl-Heinz Brock, Leiter des
Fachbereichs I – Zentrale Dienste, über den Beschluss, den der
HFPA „nach langem Ringen“ gefasst habe. „Der Fall Ratskeller hat in der
ganzen Verwaltung tiefe Wunden hinterlassen“, sagte der
Bürgermeister. Teilweise hätten Mitarbeiter Angst davor
gehabt an ihr Telefon zu gehen – so massiv seien die Anfeindungen
gewesen.
Der Beschluss, dem alle Fraktionen mit Ausnahme des Bürgerblocks
zustimmten, stellt fest, dass trotz der Erläuterungen durch den
Prüfbericht und die Verwaltung offene Fragen hinsichtlich der
Verantwortlichkeiten bleiben. Dies liege daran, dass sich in den
Gesprächen mit den involvierten Mitarbeitern nicht mehr genau
klären ließ, wer wann was gesagt habe, erklärte Rother.
Um indes zu klären, ob es sich beim Ratskeller tatsächlich um
den viel beschworenen Einzelfall handelt, soll die
Gemeindeprüfungsanstalt des Landes mit der Untersuchung der
gemeindlichen Forderungen ab dem Jahr 2005 beauftragt werden. „Eine
externe Überprüfung sämtlicher Forderungen hilft uns zu
beweisen, dass es wirklich ein Einzelfall ist und in der Verwaltung
nicht allgemein geschludert wird“, betonte Rother.
Der Beschluss sieht darüber hinaus vor, dass die
angekündigten organisatorischen Veränderungen „zügig
umgesetzt“ werden.
Im Einzelnen sind dies unter anderem
• die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers bei allen
künftigen Jahresabschlüssen,
• die Beauftragung einer des Rechnungsprüfungsamtes des Kreises
mit einer regelmäßigen Prüfung und Überwachung der
Zahlungsabwicklung der Gemeinde,
• eine regelmäßige Prüfung der Einhaltung der
Rechtsgrundlagen in allen Fachbereichen – ebenfalls durch das
Rechnungsprüfungsamt des Kreises,
• die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Fachbereichen. Alle
Miet- und Pachtverträge müssen künftig in Kopie an den
Fachbereich III – Finanzen gehen, alle Nichtzahlungen und
Rückstände umgehend an die zuständigen Fachbereiche
gemeldet werden. Alle Rückstände ab 20000 Euro müssen
zudem halbjährlich an den Bürgermeister gemeldet werden.
Offen bleibt weiterhin, ob die Eigenschadenversicherung der Gemeinde
für den entstandenen Schaden in Höhe von 90000 Euro aufkommen
wird. Die Mitarbeiter, die die Forderungen hätten eintreiben
müssen, haben schadhaft gehandelt – es liege grobe
Fahrlässigkeit vor, erklärte Karl-Heinz Brock. Genau für
solch einen Fall sei die Eigenschadenversicherung da.
Die Fraktionen einigten sich im Beschluss darauf, der Verwaltung ihre
„ausdrückliche Missbilligung für die Behandlung der ganzen
Angelegenheit“ auszusprechen. CDU-Fraktionschef Rolf Kersting sprach
von einer „Rüge im Zorn“. Einzig der Bürgerblock trägt
den Beschluss nicht mit. Vor allem deshalb, weil das Fehlverhalten der
Mitarbeiter ohne Sanktionen bleiben soll. „Der Bürgermeister hat
nur einmal mahnend den Finger gehoben, sonst ist nichts passiert“,
kritisierte BBL-Fraktionsvorsitzender Heinrich Schlinkmann. Die
Ergreifung disziplinarischer Maßnahmen liegt im
Ermessensspielraum des Bürgermeisters.
Bildunterschrift
unter einem Foto der Ratskellertür: Die Türen zum Ratskeller
werden noch einige Wochen lang geschlossen bleiben. Die Gemeinde
befindet sich in Gesprächen mit einem potenziellen neuen
Pächter, der derzeit noch an einem Finanzierungskonzept arbeitet.
Kommentar
Fast alle sind
Verlierer
Ein Skandal wird
qua Definition erst dadurch zum Skandal, wenn auf die Enthüllung
eines Fehlverhaltens öffentliche Entrüstung folgt. Der
nächste, logische Schritt ist die Forderung nach Konsequenzen.
Sind die gezogen, ist häufig zu beobachten, dass am Ende fast alle
Beteiligten als Verlierer dastehen. Was auf die „große Politik“
zutrifft, gilt ebenso auf kommunaler Ebene. Und trifft im Fall
Ratskeller in besonderem Maße zu.
Bürgermeister Jenz Rother ist dieser Tage wahrlich nicht um sein
Amt zu beneiden. Deutlich ist ihm anzusehen, dass ihn die Affäre
auch persönlich sehr mitgenommen hat. Von einer „üblen Sache
auch im privaten Bereich“ sprach er gestern ungewohnt kleinlaut. Als
Chef der Verwaltung trägt und übernimmt er zwar die
Verantwortung, kann aber nicht verhindern, dass der Skandal auf seine
gesamte Mannschaft zurückfällt. Der Vertrauensverlust in die
Arbeit der Verwaltung ist enorm. Und auch die Vertreter der Politik
sahen sich zum Teil Anfeindungen ausgesetzt.
Um den Schaden in Grenzen zu halten und verlorene Glaubwürdigkeit
zurückzugewinnen, ist mit dem Beschluss des Haupt-, Finanz- und
Personalausschusses jetzt der erste Schritt getan worden. Weitere
müssen folgen, etwa in der Klärung der Versicherungsfrage.
Auch wenn der Bürgermeister am liebsten so schnell wie
möglich einen Strich unter die unliebsame Angelegenheit ziehen
würde: Ausgestanden ist der Fall Ratskeller gewiss noch
nicht. • Kevin Kohues
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