aus Hellweger Anzeiger: Mittwoch, 21. Januar
2009
„Kreis
darf keinen Euro zusätzlich mehr ausgeben“
CDU
ruft die Daumenschrauben aus und will „sofort“ über die
Sparliste reden
Von Silvia
Rinke
KREIS UNNA • Projekt
44 für die Kreisumlage - das ist für die CDU fünf Tage
vor dem Haushaltsbeschluss oberstes Gebot: "Wir verzichten auf
sämtliche Anträge, die irgendwie Kosten verursachen
würden", kündigte Kreisfraktionsvorsitzender Wilhelm
Jasperneite gestern an. Und: "Wir werden keinen einzigen Antrag, der
weitere Kosten mitbringt, unterstützen."
Die Eilfertigkeit, den Kommunen entgegenzukommen, kommt bei der CDU und
ihrem Landratsanwärter Jasperneite nicht von ungefähr. Bis
gestern hatten bereits vier Städte schriftlich ihre Protestnote im
Kreishaus abgeliefert: Nach Schwertes CDU-Bürgermeister und Unnas
SPD-Kämmerer wehren sich jetzt auch Lünen und Selm gegen
einen Anstieg der Kreisumlage jenseits der 44-Prozent-Marke.
„Wir sind bereit“, gab Wilhelm Jasperneite gestern tief durchatmend als
Offensive aus – „da die Bürgermeister vom Kreistag
Unmögliches verlangen, jetzt sofort mit den anderen politischen
Fraktionen ins Gespräch über die ,Potenzialliste´
einzusteigen.“
Besagte Liste, bekannter als „Liste der Grausamkeiten“ (wir
berichteten), ließ der Landrat seinen Kämmerer erstellen, um
– rein theoretische – Sparmöglichkeiten noch im aktuellen Haushalt
aufzuführen. Weder sei die Liste vollständig, noch sei sie
ein konkreter Sparvorschlag vom Landrat, ließ die Kreisverwaltung
dabei vorsorglich wissen. Seither geistern die Grausamkeiten, die eine
Schneise quer durch die Fachbereiche und freiwilligen Ausgaben
schlagen, etwas planlos durch die politische Debatte; wobei die CDU –
im Gegensatz zur SPD, die diese Debatte konkret erst nach der
Kommunalwahl führen will – jetzt aber dalli-dalli Ernst machen
will mit den potenziellen Grausamkeiten.
„Wir haben die Liste bei unserer Haushaltsklausurtagung am Wochenende
Punkt für Punkt durchgesehen und mit eigenen Vorschlägen
unterfüttert“, ließ Jasperneite die politische Konkurrenz
wissen. „Wir sind bereit, sofort darüber in die Diskussion zu
gehen.“ Denn anders als die SPD zu glauben meine, sei es für die
CDU undenkbar, diese – gleichwohl stark
überarbeitungsbedürftige – Liste jetzt zunächst wieder
sang- und klanglos in der Schublade verschwinden zu lassen. „Entweder
wir diskutieren jetzt gleich darüber“, betont Jasperneite, „oder
der alte Kreistag lässt es ganz.“
Bildunterschrift
unter einem an einer Haltestelle stehen VKU-Bus: Als Paradebeispiel
„für die Weigerung des Landrats, Veränderungen überhaupt
zu diskutieren", nennt die CDU die VKU. Die kreiseigene Busgesellschaft
müsse sich endlich in Ausschreibungen mit privater und anderweitig
kommunaler Konkurrenz messen; in der Vorlage für den Kreistag am
Dienstag werde darüber aber gar nicht erst nachgedacht, die
Verwaltung vergebe die Leistungen gleich wieder exklusiv an die VKU.
Die CDU will dazu eine „begründete Entscheidung". Seit 2002 gelte
der Beschluss: Die VKU ist so aufzustellen, dass sie sich 2009 an
Ausschreibungen beteiligen kann. „Wir wollen die VKU nicht schlachten",
betont CDU-Chef Jasperneite. „Aber wir wollen nicht nur Durchschnitt,
sondern: beste Leistungen im ÖPNV!"
Im Visier:
Anträge
Bis auf Weiteres
keinen einzigen Antrag, der den Kreis auch nur geringe Summen kostet.
Diese Marschroute ist Gesetz für die CDU, macht Wilhelm
Jasperneite deutlich. „Wir werden weder eigene Anträge stellen
noch Anträge anderer Fraktionen unterstützen, egal von wem
sie kommen.“
Dabei mache auch Kleinvieh Mist: „Wenn das Welttheater der Straße
wieder 30 000 Euro Zuschuss vom Kreis haben will, tragen wir das nicht
mit. Wir tragen auch keinen neuerlichen Zuschuss für das Unnaer
Lichtkunstzentrum mit, den der Förderverein beantragt.“ Alles sei
der Bemühung geschuldet, die Kreisumlage bei der magischen 44 zu
halten. Jasperneite: „In den letzten fünf Jahren sind immer
Reduktionsforderungen von der CDU gekommen.“ Ganz aktuelle
„kostentreibende“ Anträge wie jenen fürs Sozialticket habe
die CDU „nur mitgetragen. Nie selbst gestellt.“
Im Visier: Das
Kreishaus
Mit handfesten
eigenen Sparvorschlägen rückte die CDU gestern nur
widerwillig heraus, Jasperneite nannte auf hartnäckiges
Drängen zwei: das Jugendamt und die Bauaufsicht. Letztere sei
spätestens seit der Abschaffung des Einspruchsverfahrens
überflüssig, und: „muss der Kreis Unna noch Jugendamtsbereich
sein?“, fragt Jasperneite, „diese Frage sollte sich die Kreisverwaltung
jetzt einmal ernsthaft stellen.“ Wobei es allerdings schon naiv
wäre, zu erwarten, der Kreis sparte aus eigenem Antrieb seine
eigenen Stellen weg.
Und
täglich grüßt das Murmeltier mit RWE-Aktien...
Neben all den
unvorhergesehenen Mindereinnahmen, erinnert Wilhelm Jasperneite, hat
der Kreis wenigstens auch eine unvorhergesehene Einnahme: den 1,2 Mio.
Euro-Erlös aus einem RWE-Aktienpaket, das dem Kreis noch zusteht.
Dieses Geld drängt der CDU unverzüglich einzusetzen, sobald
es komme: „Wir unterstützen daher den Antrag der FDP.“ Man
könne über die RWE-Aktien wahrhaftig keine Debatte brauchen
wie in der US-Filmkomödie „Und täglich grüßt das
Murmeltier“, wo Bill Murray quälende Monate lang stets immerzu
denselben Tag erlebt – vom Einschlafen bis zum Wieder-ins-Bett-Gehen.
Bezüglich der Landschaftsverbandsumlage rechnet die CDU
realistisch nicht damit, dass der Kreis um die angekündigte
Umlageerhöhung doch noch herumkommt. „Eine Anhebung kommt“, glaubt
Jasperneite unfroh, „auch wenn es am Ende ,nur´ 0,4 Prozent
sind.“ 0,6 Prozent zusätzlich sind aktuell beim Landschaftsverband
im Gespräch; die wären aber immerhin schon die Hälfte
weniger als jene 1,2 Prozent, mit denen der LWL seine Kreise und
kreisfreien Städte bei seinen ersten Planungen zusätzlich zur
Kasse bitten wollte. •sia
|