aus Westfälische Rundschau: Freitag, 16.
Februar 2007
Kaserne in
billiges Bauland umwandeln
Von Peter Gräber
Holzwickede. Als erste Partei vollzieht die
CDU die Kehrtwende: Sie will die Emscherkaserne in günstiges
Bauland umwandeln und mit preiswerten, familiengerechten
Grundstücken junge Familien nach Holzwickede locken.
In der Frage, was mit dem acht Haktar großen Gelände nach
dem Abgang der Bundeswehr passieren soll, sind die Fronten bisher
verhärtet. Hier ein klarer Ratsbeschluss, wonach das Gelände
eine Mischnutzung erfahren und nicht vor 2025 Bauland werden soll.
Begründung: Die Gemeinde wolle sich nicht bei anderen Baugebieten
wie z.B. Caroline neu "Konkurrenz" schaffen. Außerdem sei die
verkehrliche Erschließung erst zu klären.
Dort die g.e.b.b., die das Kasernengelände für den Bund
vermarkten soll und dabei bisher Konfrontationskurs gegen die Gemeinde
fuhr: So stellten die Vermarkter den Anliegern in einer
Bürgerversammlung fertige Pläne für ein reines Baugebiet
vor - ohne die Gemeinde davon zu informieren, die bekanntlich die
Planungshoheit hat. Doch nun scheinen - nicht zuletzt nach einem
Personalwechsel bei der g.e.b.b. - beide Seiten sich wieder
anzunähern.
Die CDU hat sogar ein eigenes Positionspapier zur Emscherkaserne in
ihrer Klausur erarbeitet als Anlage zum Haushaltsplan. Allerdings
versichert CDU-Fraktionschef Rolf Kersting: "Für uns steht nicht
die Kasernenproblematik im Vordergund. Wir wollen auf den
Bevölkerungsrückgang reagieren und junge Familien gewinnen."
Die CDU stellt sich vor, dass Bauland in der Emscherkaserne "etwa 25
Prozent günstiger ist, weil die dort vorhandene Infrastruktur
genutzt" werden könne. Genau dies sollen jetzt die Vermarkter der
g.e.b.b. prüfen: Ob etwa die Kanalisiation, Straßen und Wege
oder Versorgungseinrichtungen wie die Kantine und der Sportplatz
genutzt werden können. "Vielleicht als Kinderhort oder Bolzplatz."
Der Rest der Gebäude "muss abgerissen werden", glaubt Kersting.
"Wenn wir auf diese Weise günstige Grundstücke für junge
Familien ausweisen können, wäre das eine gute Sache. Bei
einem normalen Wohngebiet würden wir dagegen nicht mitmachen."
Die Verkehrserschließung sieht die CDU unproblematisch: "Die
Bundeswehr produzierte ja früher auch Verkehr. Von daher
würde kein zusätzlicher Verkehr, sondern nur Ersatzverkehr
entstehen." Neue Straßen seien deshalb nicht erforderlich, so der
CDU-Chef. "Wenn das RWE-Gebiet westlich der Hauptstraße bebaut
würde, wäre das etwas anderes." Nach Ansicht der CDU sollte
die Umnutzung der Kaserne vor der Ausweisung neuer Baugebiete Vorrang
haben und alsbald Gespräche mit der g.e.b.b. aufgenommen werden.
Bildunterschrift
unter einem Foto eines Gebäudes der Emscherkaserne: Die CDU will
die Emscherkaserne in preiswertes Bauland für junge Familien
umwandeln.
CDU will
Bevölkerungsrückgang stoppen
HINTERGRUND
• Die
demografische Entwicklung war ein großes Thema der
Klausurberatungen der CDU.
• Aktuell haben in der Gemeinde 17 588 Einwohner ihren Erstwohnsitz
(Stand 2006). Die Bevölkerungsentwicklung ist - wie überall -
rückläufig.
• Diese Entwicklung wird auch durch das Baugebiet Caroline nicht
aufgehalten. Bis 2015 wird Holzwickede auf 17 065 Einwohner und bis
2024 auf nur noch 16 224 Einwohner schrumpfen.
• In den nächsten 17 Jahren verliert Holzwickede also rund rund 1
300 Einwohner, schätzt die CDU.
• Das hat Auswirkungen auf die gesamte Infrastruktur des Ortes. Wegen
der Bevölkerungsüberalterung wird der Bedarf im Bereich der
Seniorenbetreuung wachsen.
• Wegen des starken Geburtenrückganges wird gleichzeitig ein
Überangebot an Schulräumen entstehen.
• Die Steuereinnahmen (Einkommensteuer) der Gemeinde werden starke
Einschnitte erfahren.
• Diesem Einwohnerrückgang will die CDU durch Ansiedlung junger
Familien begegnet.
• Dies führe nicht zu einem Anstieg der heutigen Einwohnerzahl,
sondern diene dem Erhalt der vorhandenen Infrastruktur, teilt die CDU
mit.
Schlechte
Voraussetzung
KOMMENTAR
Von Peter Gräber
Dass die CDU junge Familien werben will, um sich gegen den
Bevölkerungsrückgang zu wappnen ist vernünftig. Ebenso,
dass sie dazu preiswertes Bauland ausweisen will. Die Frage ist nur, ob
die Emscherkaserne dafür die richtigen Voraussetzungen bietet.
Bislang konnte noch kein Investor für das acht Hektar große
Gelände interessiert werden. Die einzigen, die sich bisher von den
Voraussetzungen nicht schrecken ließen, sind die Joboxers mit
ihrer etwas unausgegorenen Idee, dort einen Sport- und Spielpark
einzurichten.
Denn die
Voraussetzungen sind denkbar schlecht: Die Infrastruktur der
Emscherkaserne ist kein Vorteil, sondern eine Belastung. Abbrechen und
Entsorgen ist teuer. Es ist einfacher, einen Acker zu
erschließen, als eine Kaserne. Das zeigt sich überall im
Land, wo die Konversion von Kasernenflächen - bis auf den
Sonderfall Iserlohn - noch nirgendwo geglückt ist. Da knallen ja
schon die Sektkoren in den Rathäusern, wenn überhaupt eine
Nutzung für die Geisterbaracken gefunden wird - egal welche.
Wer weiß,
welche Sachzwänge bei der Entwicklung von Caroline neu aufgebaut
wurden - und hier hatte nur die Gemeinde das Sagen - ahnt, worauf der
Vorstoß der CDU bestenfalls hinausläuft: Auf ein normales
Wohngebiet, für das die g.e.b.b. die fertigen Pläne
übrigens schon vorgestellt hat. Dazu sagt die CDU bislang noch
Nein.
Es dürfen
Wetten angenommen werden, wie lange es dabei bleibt.
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