aus Hellweger Anzeiger: Mittwoch, 08. Februar
2006
CDU will Baumschutz absägen
Satzung sorgt für Konflikte
Von Gabriele Hoffmann
HOLZWICKEDE • Die
CDU beantragt die ersatzlose Abschaffung der Baumschutzsatzung und
beruft sich auf heftige Konflikte zwischen der Bürgerschaft und
der Gemeindeverwaltung, die immer wieder durch die Anwendung der
Satzung entstehen.
PIn der ausführlichen Begründung des Antrags heißt es
unter anderem: „Die Anwendung verbietet die eigenverantwortliche
Gestaltung des eigenen Gartengrundstücks. Fällgenehmigungen
gibt es, wenn überhaupt, nur nach langwierigen,
bürokratischen Entscheidungsfindungen und Wartezeiten gegen
Gebühr.“ Kritisiert wird, dass wer sich über seine
hochgewachsenen Bäume nicht mehr freut, weil sie das
Grundstück in eine Schattenwiese verwandeln, nicht einfach zur
Säge greifen darf. Ab einem Stammumfang von 80 cm sind die meisten
Bäume geschützt. Die CDU geht davon aus, dass deswegen viele
Bürger ihre Bäume fällen, bevor sie eine bestimmte
Größe erreichen oder ganz auf die Anpflanzung neuer
Bäume verzichten.
„Bevormundung und bürokratische Gängelung“ müsse beendet
werden. Die Baumschutzsatzung ist für die Christdemokraten ein
entbehrliches Relikt. „Die CDU-Fraktion setzt auf den
eigenverantwortlichen, umweltbewussten Bürger“, schreibt
Parteichef Frank Lausmann. Der Aussage, dass viele Gemeinden nie eine
Baumschutzsatzung aufgestellt oder diese bereits außer Kraft
gesetzt haben, widersprechen sowohl die Holzwickeder Umweltbeauftragte
Ulrike Hohendorff, als auch Peter Driesch, Abteilungsleiter
Landschaftspflege beim Kreis Unna.
Ulrike Hohendorff nennt das Beispiel Bochum. Dort sei eine
Baumschutzsatzung erst vor eineinhalb Jahren in Kraft getreten. Sie
sieht in der Satzung einen Service. Bürger, die sich unsicher
sind, ob ein Baum gefällt werden muss, haben nach einer
kostenlosen Prüfung Gewissheit. „Das gibt auch Sicherheit für
die Bürger, zum Beispiel in Auseinandersetzungen mit Nachbarn“,
sagt Hohendorff. Außerdem betont sie: „Wir haben in Holzwickede
eine sehr moderate Baumschutzsatzung.“ Pappeln und Nadelbäume sind
vor einigen Jahren herausgenommen worden.
Peter Driesch erklärt, dass die Satzung auf dem
Landschaftsschutzgesetz beruht. Nur wenige Kommunen im Kreis
hätten keine Satzung. Wo sie abgeschafft werde, hätte auch
der alte Baumbestand keinen Schutz mehr. Der Kreis Unna sieht es
natürlich nicht gerne, wenn Baumschutz beschnitten wird. Zumal es,
so Driesch, „Ausnahmetatbestände“ gibt. Dass Bürger durch die
Satzung gegängelt werden, mag er so nicht erkennen.
Bildunterschrift
unter einem Foto der Bäume vor der Villa Pfiffikus: Auch sie
stehen unter dem Schutz der Satzung: Die großen Bäume vor
der Villa Pfiffikus, die an der stark befahrenen Kreuzung wie
Luftfilter wirken.
Kommentar
Mein Freund,
der Baum
Die Natur braucht
den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Natur. Dass dieser so
eigenverantwortlich und umweltbewusst um den ökologischen Wert von
Bäumen weiß, wie die CDU optimistischer Weise voraussetzt,
darf angesichts vermüllter Parkanlagen, Beschwerden über
vermeintlichen Wildwuchs in der Landschaft, aufgeräumter
Vorgärten mit englischem, absolut gänseblümchenenfreiem
Rasen und immer noch zu beobachtenden Giftspritzattacken auf „Unkraut“
und „Ungeziefer“ bezweifelt werden.
Die Baumschutzsatzung lässt Ausnahmetatbestände zu. Wenn zum
Beispiel Gefahren von einem Baum ausgehen, wird sich wohl niemand gegen
die Fällung aussprechen. Wer aber schützt künftig die
alte Eiche, die zwar 200 Jahre alt ist, aber im Sommer Schatten und im
Herbst lästige Blätter aufs Grundstück wirft? Wer
schützt diesen Baum vor dem nicht mehr durch eine Satzung
gegängelten Bürger, der die Gestaltung seines Gartens mit der
Kettensäge angeht?
Es gibt eben Dinge im Leben – auch von mündigen Bürgerinnen
und Bürgern – die einer Regelung bedürfen. Es hat schon Leute
gegeben, die den Ast abgesägt haben, auf dem sie gesessen haben.
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Gabriele Hoffmann
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