aus Hellweger Anzeiger: Freitag, 09. September 2005
Lieber
„Fundamentalist“ als auf Sand gebaut
Wertkonservativer
als Leitplanke in der Beliebigkeit: Hubert Hüppe
(CDU)
Von Silvia Rinke
UNNA • Hubert
Hüppe will Frühstück im Fässchen.
„Meine treueste Wählergruppe“, beifällig nickt er zur
älteren Damenrunde hin. Setzt sich und bestellt erstmal
kräftig Frühstück. Die Brötchen? „Normal. Also
nichts mit Körnern.“ Was drauf? „Mett.“
Muss sein im Wahlkampf. Wahlkämpfen zehrt. Die Trauben pickt er
gleich noch vom Nachbarteller, jedes Vitamin zählt. „Aber
bloß keine Zwiebeln aufs Mett!“, ruft er in die Küche
hinterher. Das fehlte noch, krachend beißt er in die
Brötchenhälfte, dass er den potenziellen Wählern mit
Zwiebelatem entgegenträte. Der 1,87-Meter-Mann ist gestresst und
wirkt gar nicht so. „Doch.“ Seit Wochen pausenlos auf Achse. Und kaum
noch Zeit für die Familie. „Das schlaucht.“
Die Familie hält er hoch. Die ist ihm heilig. „Gute Ehe, Kinder,
das war immer mein Traum. Das einzige, was ich an dem Beruf bereue.“
Denn als Politiker, für Hüppe eher Berufung denn Beruf, muss
er sich die Zeit für Frau und Kinder zusammenkratzen.
Seit über 20 Jahren ist Hubert Hüppe verheiratet, fährt
auch als Bundestagsabgeordneter jeden Freitag konsequent heim nach
Werne und früh am Montag in die Hauptstadt zurück. „Im ICE
von Hamm, das geht ratzfatz. Zwei Stunden fünfzig.“ Über die
Woche hat er sich in einem bescheidenen Hotelzimmerchen in Berlin
einquartiert. „Ich halte das ganz bewusst so. Man muss wissen, wo die
Wurzeln sind.“
Die Wurzeln. Die Familie. Heimische Scholle. Christdemokrat mit jeder
Faser, bezeichnet sich Hubert Hüppe als wertkonservativ und
überzeugt katholisch. Sein kompromissloser Einsatz für den
Schutz des menschlichen Lebens, einerlei ob gesund oder krank, ob
geboren oder noch im Mutterleib, hat ihm häufig schon den Vorwurf
eingebracht, Fundamentalist zu sein. Stimmt das? Ist Hubert Hüppe
ein „Fundi“? „Sehe ich nicht so, aber ich kann damit leben. Wer kein
Fundament hat, hat auf Sand gebaut.“ Schließlich, meint er und
nippt grinsend an seinem Kaffee, „muss man deswegen ja nicht
griesgrämig herumlaufen.“ Und in Behindertenfragen etwa vertrete
er doch eine ausgesprochen progressive Linie. „Ich kämpfe immer
für Integration. Behinderte Menschen wollen keine
Rücksichtnahme. Erst recht wollen sie nicht ,unter sich‘ sein. Sie
möchten, dass man ihnen völlig normal entgegentritt.“
Das hat er selbst erst lernen müssen. „In der Enquete-Kommission
hatte ich eine Kollegin, die contergangeschädigt war. Morgens beim
Guten-Tag-Sagen machten alle um sie einen großen Bogen. Man
konnte ihr ja nicht die Hand geben.“ Bis es Hüppe irgendwann zu
dumm wurde. Und er sie, rot vor Verlegenheit, fragte: Gibt man Ihnen
den Fuß? „Das hab’ ich dann gemacht.“ Einen gepflegten Fuß,
schön mit Ringen geschmückt.
Eine Gesellschaft, die immer beliebiger wird, „braucht Leitplanken“.
Weshalb sich Hüppe seit zwei Legislaturperioden als
stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission engagiert. Und
als „Beauftragter für die Belange für Menschen mit
Behinderungen“ kämpft. Seine Visitenkarten sind auf der
Rückseite in Blindenschrift geschrieben. Als Leitplanke auf der
Schnellstraße der Beliebigkeit macht sich Hüppe
regelmäßig mit seinem klaren Nein zur Abtreibung unbeliebt.
„Das kostet mich auch diesmal wieder Stimmen. Aber ich verkaufe
für ein paar Stimmen meine Überzeugungen nicht.“
Sorgfältig ist er dabei darauf bedacht, nicht zu verurteilen,
kämpft gleichwie für jedes ungeborene Leben mit
Überzeugungs- wie mit Tatkraft: So quartierte er vor drei Jahren
privat zu Hause eine junge Schwangere ein, die der eigene Vater zur
Abtreibung zwingen wollte; „sie sollte sich die Treppe
herunterstürzen.“ Sie hat das Kind bekommen.
Sinnend, mit leisem Stolz, blickt Hubert Hüppe in seine
Kaffeetasse, rührt um. „Ihr Vater ist jetzt der stolzeste
Großvater der Welt.“
Bildunterschrift
unter einen Foto vom Gespräch: Mettbrötchen ja, das muss die
Figur in stressigen Wahlkampfzeiten vertragen, Zwiebeln aufs Mett -
bloß nicht. "Das können die Wähler nicht ertragen."
Bundestagsabgeordneter Hubert Hüppe (CDU) traf
HA-Redaktionsleiterin Silvia Rinke zum kleinen, aber feinen
Frühstück im Unnaer Seniorentreff "Fässchen"
Bildunterschrift unter einem Foto von
Hubert Hüppe: „In Behindertenfragen bin ich ausgesprochen
progressiv“: Hubert
Hüppe.
Vita
Hubert Hüppe
(„ich sollte eigentlich Anette heißen") wurde am 3. November
1956, am
Hubertustag, in Lünen geboren. Vom St.-Christophorus-Gymnasium
Werne ging er nach der zehnten Klasse ab, absolvierte einen
Inspektorenlehrgang, wollte aber immer nur eines werden: Politiker.
Schon als Siebenjähriger gründete er seine eigene Partei, die
Tierschutzpartei, engagierte
sich als Schüler in der Schüler- und als Jugendlicher in der
Jungen Union. Mit 17 Jahren trat Hubert Hüppe in die CDU ein, war
16 Jahre lang Kreisvorsitzender und wurde 1991 erstmals in den
Bundestag gewählt - für den damaligen Wahlkreis
Lünen/Werne/Selm/Hamm. Seit drei Jahren vertritt Hüppe die
CDU im Wahlkreis Unna l. Hubert Hüppe wohnt heute in Werne, ist
verheiratet
und hat drei Kinder.
Zwölf
Fragen...
• Größe: 1,87 Meter
• Gewicht: 93
Kilo („habe schonmal 111 gewogen")
• Lieblingsbuch:
„Ich lese wenig Bücher, wenn, dann Sachbücher, meist
Bioethik. Und das ist mir peinlich, aber ich sag's trotzdem -
Groschenhefte, Liebesromane. Die sind schön kurz und gehen immer
gut aus."
•
Lieblingsgetränk: „Milch. Pro 100 Milliliter je nach
Fettgehalt 43 bis 57 Kalorien."
• Politisches
Vorbild aus fremden Reihen: „Helmut Schmidt. Aber nur wegen dem
Nato-Doppelbeschluss. "
• Vorbild aus dem
Kreis Unna: „Heinrich Böckelühr"
(CDU-Bürgermeister Schwerte)
• Ich kann gut
kochen: „Salate, Rührei. Ich mach' meist das
Frühstück."
• Ich werde laut
bei: „Wenn ich fünfmal sage: Pack die Brocken da weg."
• Wenn ich
nicht Bundestagsabgeordneter wäre, wäre ich...: „Mein
Traumjob war immer Politiker."
• Ich kann nicht:
„Lange ruhig sitzen bleiben."
• Mir ist
unangenehm: „Lange Sitzungen, in denen nichts gesagt wird."
• Meine Eitelkeit:
„Seit ich 18 Kilo abgenommen habe, ist sie sehr ausgeprägt."
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